Wie wird Active Sourcing effizient eingesetzt und wie können die richtigen Technologien den Rekrutierungsprozess damit vereinfachen bzw. erfolgreicher machen? Teil 7/10

Am Thema Active Sourcing scheiden sich die Gemüter. Was immer wieder als Trendthema aufgegriffen wird, ist wohl eher alter Wein in neuen Schläuchen. Darum wird es jetzt doch mal Zeit, sich dem Thema etwas ausführlicher anzunehmen. Denn Firmen haben schon immer aktiv potenzielle Mitarbeitende angesprochen. Früher hat man das halt noch meist per Telefon oder über das persönliche Netzwerk gemacht und hat es Direktansprache genannt. Nun wird auf der einen Seite Active Sourcing als Bestatter des „Post and Pray“- Zeitalters und Lösung gegen den immer grösseren Fachkräftemangel proklamiert. Auf der anderen Seite wird kritisiert, dass es dank öffentlich zugänglicher Netzwerke wie LinkedIn und Xing in den Händen von Personalabteilungen immer unprofessioneller betrieben wird, zur Verärgerung von viel gesuchten Fachkräften und zum Schaden der Firmenmarke. Zudem ist Active Sourcing omnipräsent in Fachzeitschriften und HR-Blogs, doch in der Praxis scheint es kaum eine grosse Sache zu sein. Mit über 90 Prozent sind Online-Jobportale dicht gefolgt von der eigenen Karriereseite mit über 80 Prozent die meist verwendeten Recruiting-Kanäle in der Schweiz (Statista 2015). Von den befragten Unternehmen nutzen hingegen nur knapp 30 Prozent Active Sourcing für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Das Stelleninserat, das sowohl auf Karriereseiten als auch auf Jobportalen zu Hause ist, ist somit nach über hundert Jahren immer noch die unbestrittene Nummer eins in der Jagd nach neuen Talenten. Trotz Prophezeiungen wie der von Recruiting Spezialist Jörg Buckmann im Oktober 2013:„Aus ‚Post and Pray‘ wird Active Sourcing“ oder der des Human Resource Managers: „,Post and Pray‘-Recruiting betreiben erfolgreiche Recruiter schon lange nicht mehr“ ist Active Sourcing also immer noch weit davon entfernt, das Stelleninserat zu ersetzen.

Einen Teil der Antwort auf die Frage dieses Beitrages, wie Active Sourcing effizient eingesetzt wird und wie die richtigen Technologien den Rekrutierungsprozess vereinfachen könnten, liegt darin, die Gründe zu verstehen, warum Active Sourcing sich noch nicht durchgesetzt hat und warum es Meinungen derart polarisiert. Da ich in meiner Reihe über technologische Trends im HR schon viel über das Potenzial und die Funktionsweise von neuen Technologien geschrieben habe, will ich mich in diesem Beitrag mehr auf die Rahmenbedingungen konzentrieren, auf die solche Technologien in HR- Abteilungen treffen.

Kurz zum Begriff „Active Sourcing“

Für eine Definition bediene ich mich mal bei Wikipedia: „Active Sourcing steht für alle Massnahmen der Identifizierung vielversprechender Mitarbeiter auf dem externen Arbeitsmarkt, bei denen das Unternehmen aktiv versucht, in persönlichen Kontakt mit potenziellen Bewerbenden und Mitarbeitenden zu treten und eine dauerhafte Beziehung zu den Bewerbenden aufzubauen.“ Dabei sind Social-Media-Kanäle und professionelle Netzwerke wie Xing, LinkedIn und auch Online-Bewerberdatenbanken von besonderer Wichtigkeit.

Warum hat sich Active Sourcing noch nicht durchgesetzt?

Das könnte zum einen daran liegen, dass Firmen manchmal nicht so ganz wissen, wen Sie denn genau einstellen wollen. Denn Stelleninserate werden aufgrund von Floskeln, politisch korrekter Aufgabenformulierung und immer längeren Anforderungsprofilen zunehmend unverständlicher. Wenn man zum Beispiel den Gewinner der Goldenen Runkelrübe 2015, dessen Kandidatenprofil sich über eine ganze A4-Seite erstreckt, mit einem Stelleninserat von 1900 vergleicht, das sich auf 3 Zeilen beschränkt, dann könnte man durchaus zum Schluss kommen, dass die Firmen schon gar nicht mehr wissen, wen sie denn genau suchen. Nur so am Rande, die Goldene Runkelrübe ist ein Preis der unter anderen Henner Knabenreich jedes Jahr an die schlechtesten Stelleninserate verleiht. Beim Active Sourcing ist eine schwammige Zielgruppe ein grosses Problem. Ein gutes Stelleninserat bedingt nämlich die Kürze und Präzision einer Stellenanzeige von 1900. Dies bedeutet wiederum, dass man genau wissen muss, wen man sucht, um geeignete Kandidaten ansprechen und finden und zu können.

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Aber auch wenn man seine Zielgruppe von potenziellen Bewerbenden genau definiert hat, so fehlt es an geeigneten Tools, um die Nadel im Heuhaufen zu entdecken. Zwar gibt es Angebote, wie etwa das von LinkedIn Recruiter, die behaupten, aus einem weltweiten Talentpool genau die passenden Kandidaten heraussuchen zu können. Aber die Suche scheitert bereits an unterschiedlichen Sprachen. Gibt man zum Beispiel Java Entwickler/-in und Java Developer ein, so werden komplett unterschiedliche Ergebnisse geliefert. Im Allgemeinen hat LinkedIn ja auch eher Mühe, passende Resultate zu liefern, wenn man nicht auf Englisch sucht. Auch bei anderen Anbietern wie zum Beispiel dem Talentmanager von Xing oder Online-CV-Datenbanken sieht es nicht besser aus. Könnte es echt daran liegen, dass es nicht wirklich viel Kritik im Netz über die Unzulänglichkeiten solcher Sourcing Tools gibt, weil alle durchs Band hinweg ungefähr gut oder schlecht funktionieren?

Die häufig zu beobachtende Ungewissheit der Personalabteilungen, wen Sie einstellen sollen, und die Fehlerhaftigkeit der Analysetools führen dann dazu, dass viele Mitglieder von professionellen Netzwerken so viele vermeintlich persönliche Ansprachen erhalten, dass sie diese erst gar nicht mehr öffnen, sondern direkt aus dem Posteingang löschen. Denn meistens ist die Anfrage schlicht nicht passend oder sie ist so unpersönlich formuliert, dass die Eignung des Kandidaten im Schreiben nicht zu erkennen ist. Das trifft besonders zu auf Personen mit häufig nachgefragten Fähigkeiten wie zum Beispiel aus der IT-Branche. Dass solche verfehlten Anschreiben immer mehr zunehmen, trägt dann auch massgeblich zum schlechten Ruf von Active Sourcing bei.

Dazu kommt, dass Active Sourcing eine sehr aufwendige und teure Recruiting-Methode ist, warum sie meistens wohl nur für Spezialisten und Führungskräfte verwendet wird. Aber versteckt sich manchmal hinter der Entschuldigung „Ich habe keine Zeit für eine aktive Kandidatenansprache“ auch noch etwas mehr? Bei „Post and Pray“ ist es nämlich die Sache des Kandidaten im ersten Schritt, die Passung zwischen sich und dem Unternehmen zu beurteilen, während beim Active Sourcing diese Verantwortung der Personalabteilung zukommt. Vielleicht versteckt sich hinter dieser Aussage also auch ein wenig Angst vor dem Leistungsdruck, in ein paar Klicks wertvolle Kandidatenvorschläge liefern zu können oder müssen (was bei der Qualität der Suchresultate auf Netzwerken und Plattformen ja auch durchaus verständlich ist).

Wie könnte Active Sourcing effizient eingesetzt werden?

Wie wir gesehen haben, müssten manche Personalabteilungen sich mehr Zeit nehmen, individuellere Ansprachen zu schreiben und in erster Instanz ein klares Bild haben, wen sie einstellen wollen. Ich will mich im Weiteren aber noch ein wenig mit den technologischen Möglichkeiten befassen, wie man Active Sourcing effizient einsetzen könnte.

Mit LinkedIn und Xing hat man heutzutage Zugriff auf einen weltweiten Talentpool. Viele potenzielle Kandidaten haben etliche persönliche Informationen, wie Berufserfahrung, Fähigkeiten und Diplome erfasst. Mit einer solchen Menge an Daten müsste es eigentlich möglich sein, passende Kandidaten herauszufiltern. Das würde aber ein Tool benötigen, das über die gegenwärtige Suche über Stichworte und Filter hinausgeht und stattdessen das ganze Profil der LinkedIn- oder Xing-Mitglieder mit dem Profil einer Stelle abgleicht. Zudem müsste das bei einem globalen Netzwerk wie LinkedIn auch sprachübergreifend funktionieren. Damit ein Tool die richtigen potenziellen Bewerbenden finden kann, müsste es also nicht keywordbasiert sondern ontologiebasiert funktionieren. So eine ontologiebasierte Suche erkennt nämlich alle verwandten und synonymen Bezeichnungen für Berufe, Kenntnisse und Diplome. Sie macht damit eine heterogene Masse an Profilen wie bei LinkedIn erst vergleichbar. Mehr zum Unterschied zwischen keywordbasierter und ontologiebasierter Suche, Matching von komplexen Profilen und sprachübergreifender Suche können Sie in meinem Beitrag lesen.

Um den Personalabteilungen Abhilfe zu schaffen, ein präzises Kandidatenprofil zu erstellen, hat LinkedIn für seine neue Recruiter-Anwendung (LinkedIn Recruiter), die Anfang 2016 auf den Markt kommen wird, eine Funktion gebaut, die dem Anwender erlaubt, nicht mit Stichworten zu suchen, sondern mit einem Mitgliederprofil. Wenn man also kein klares Anforderungsprofil hat, sondern einfach einen weiteren Mitarbeitenden ein bisschen so wie ein bereits bestehendes Teammitglied sucht, dann kann man in LinkedIn nach ähnlichen Personen suchen. Eine gute Idee, ich bin aber gespannt, wie relevant die Suchresultate wirklich sein werden.

Ein effizienter Einsatz von Active Sourcing – auch wenn es Stelleninserate nicht komplett ablösen würde – könnte eine viel grössere Menge an potenziellen Kandidaten erreichen. Denn es zielt auch auf diejenigen ab, die nicht aktiv auf Stellensuche sind, aber dennoch offen für eine neue Stelle wären. Und das sind gemäss Talent Trends 2014 immerhin 85% der Arbeitskräfte. Zudem ertrinkt man beim Active Sourcing nicht in einer Flut von Bewerbungen, sondern kann sich eine Handvoll Kandidaten herauspicken. Was aber, wenn alle plötzlich effizient Active Sourcing betreiben würden und Active Sourcing wirklich das „Post und Pray“-Zeitalter ablösen würde? Dann würden sich die Firmen gegenseitig immer wieder die besten Mitarbeitenden abwerben. Der Markt um die besten Fachkräfte würde viel umkämpfter werden, und man müsste versuchen, diese mit mehr Mitteln an die eigene Firma zu binden. Das würde die Kosten für Active Sourcing noch viel mehr in die Höhe treiben. Ebenso würden natürlich die Löhne steigen, da die Mitarbeitenden mehr um Ihren Wert wissen. Zum Schluss kann man darum sagen, dass es also vielleicht am effizientesten ist, wenn nicht alle Active Sourcing effizient betreiben.

Der Beitrag ist Teil meiner Reihe Was Sie schon immer über technologische Trends und Themen im HR wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten.