JANZZ Mindsetter überlässt das Wort Persönlichkeiten, die sich zu relevanten Themen rund um HR, Recruiting, Arbeitsmarkt, digitale Transformation, Diskriminierung am Arbeitsmarkt u.v.m. äussern. Mit diesem Blog wollen wir Menschen das Wort geben, die uns eine andere Sicht auf die Dinge vermitteln. Eben Mindsetter.
Prof. Juhani Ilmarinen zum Thema Alter(n) im Arbeitsmarkt
Juhani Ilmarinen ist Forscher und Experte für Generationen-Management. Er berät Unternehmen zu den Thematiken Alter(n), Generationen, Arbeitsfähigkeit und Wohlbefinden.
Weshalb kommt es eigentlich überhaupt zur Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt?
Es gibt mindestens drei grosse, grundlegende Gründe für Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz, nämlich:
– Bewusstseinsmangel ums Alter und ums Altern, die weiter zu
– Einstellungsproblemen gegenüber dem/des Alter(n) und zum
– Mangel des fairen Umgangs mit älteren Beschäftigten führen
Jede Generation hat ihre Stärken und Schwächen, die ziemlich unterschiedlich sind. Diese Unterschiede wachsen mit zunehmendem Alter. Beschäftigte 50+ sind sehr heterogen im Vergleich zu 30+ im Bezug auf ihre physischen, psychischen und sozialen Eigenschaften und Fähigkeiten. Die sozialen Fähigkeiten verbessern sich zunehmend mit dem Altern, die meisten psychischen Fähigkeiten bleiben unverändert ( d.h. mentaler Zuwachs), ohne regelmässiges Training nehmen die physischen Fähigkeiten aber ab. Wir können feststellen: Fähigkeiten sind entscheidend, nicht das Alter(n).
Ein besseres Bewusstsein von altersbedingten Änderungen führt zu fairen Einstellungen und zur besseren Umsetzung der Fähigkeiten der Älteren.
Die Arbeitgeber denken bei den Älteren oftmals nur an gesundheitliche Risikos und niedrige Produktivität, dabei sind beide oft reine Mythen. Die Abwesenheitsraten sind im Vergleich zwischen den Generation ungefähr gleich resp. haben direkten keinen Zusammenhang mit dem Alter. Jede Generation kann produktiv sein wenn die Arbeit so gestaltet ist, dass die Stärken der Beschäftigten richtig eingesetzt werden.
Überall ist vom Fachkräftemangel zu lesen. Warum denken Sie, dass trotzdem viele ältere Fachkräfte keine Anstellung mehr finden?
Die Faktoren, die ich schon oben genannt habe, spielen auch hier eine grosse Rolle. Dazu kommen noch Fragen betreffend der Kompetenz. Die Globalisierung, neue Technologie und besonders die Digitalisierung ändern die Arbeitsplätze und Arbeitsprozesse schneller als vielleicht erwartet. Deswegen sind heute IT-Fähigkeiten ein Kompetenzfaktor von grosser Bedeutung, für alle Arbeitnehmenden.
Die jüngeren Generationen haben oft bessere IT-Fähigkeiten als ihre älteren Kollegen. Aus diesem Grunde haben ältere Arbeitskräfte oftmals Einstiegsprobleme in Branchen, die stark technologieorientiert sind. Es ist aber zu bemerken, dass in vielen Dienstleistungen z.B. im Gesundheitswesen oder in der Pflege andere Kompetenzen viel wichtiger sind als IT-Fähigkeiten. In solchen Tätigkeiten spielen die Erfahrung eine grosse Rolle, diese ist eine echte Stärke der Älteren.
Zum Thema Kompetenzen und Fähigkeiten gilt es auch noch zu erwähnen, dass Lernen stets unabhängig vom Altern ist. Jede Generation kann neue Fähigkeiten lernen, Wissen und Kompetenzen ausbauen, oftmals lernen die Älteren einfach anderst, als die Jüngeren.
Didaktisch und pädagogisch angepasste Lernprozesse für Ältere können den Prozess des lebenslangen Lernens aber problemlos sichern. So können auch die Älteren z.B. IT-Kenntnisse genauso beherrschen wie ihre jüngeren Kollegen.
Anonyme Bewerbungsverfahren bei denen z.B. Alter, Herkunft und Geschlecht nicht ersichtlich sind, könnten die Altersdiskriminierung wohl verhindern oder eindämmen. Warum setzen nach wie vor so wenig Unternehmen darauf?
Anonyme Bewerbungsverfahren könnten wenigstens soweit helfen, dass die Bewerber nicht im voraus z.B. wegen Alter aussortert werden. Beim Interview könnten sie ihre Stärken dann besser vorstellen.
Es ist aber offensichtlich, dass der Arbeitgeber bereits bei der Ausschreibung zumindest eine Wunschvorstellung eines Kandidaten hat, respektive was dieser mitbringen sollte. Manchmal ist diese aber aus der Stellenausschreibung nur bedingt ersichlich oder man darf es evtl. vielleicht sogar nicht ausformulieren. Trotzdem hilft es dem Personalverantwortlichen (auch aus Zeitgründen) die Bewerber schnell auszusortieren.
Für viele reicht deswegen der schriftliche Eindruck nicht aus, weil das Aussehen und Verhalten der Bewerber bei gewissen Tätigkeiten eine wichtige Rolle spielt. Die Bereitschaft einem Beruf mit Kundenkontakt nachzugehen oder teamfähig zu sein, kann man besser in einem persönlichen gespräch eruieren. So denken zumindest viele Arbeitgeber.
Insgesamt möchte ich aber klar betonen, dass die mentale Arbeitsfähigkeit der Bewerber wohl viel wichtiger ist, als die einzelnen Faktoren der unterschiedlichen Fähigkeiten. Mit arbeitsfähig meine ich, dass die eigenen Ressourcen wie Gesundheit Kompetenzen, Werte, Einstellung und Motivation gut zur ausgeschriebenen Stelle passen. Oft werden die Bewerber nur nach ihrem „Können“ (Kompetenz und Gesundheit) evaluiert. Dabei werden aber viel wichtigere Faktoren wie Werte, Einstellung und Motivation gänzlich ausser acht gelassen. Dabei können eben mit diesen Faktoren, ältere genauso produktiv und gewinnbringend wie jüngere Arbeitnehmende sein.
Mein Vorschlag wäre, dass das Bewerbungsverfahren auf das Arbeitsfähigkeits-Haus umzustellen.
Prof. Juhani Ilmarinen entwickelte im Jahr 2001 das Modell „Haus der Arbeitsfähigkeit“, welches das Zusammenwirken verschiedener unternehmens-und personalpolitischer Aspekte inhaltlich im Bild eines Hauses mit verschiedenen Etagen vereint.