KI, Automatisierung und die Zukunft der Arbeit – jenseits der üblichen Bubbles

In den letzten Jahren sind zahlreiche Artikel und Berichte erschienen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie KI und Automatisierung die Zukunft der Arbeit gestalten werden. Je nach Perspektive oder Absicht des Autors oder der Autorin weisen diese Beiträge in eine von zwei Richtungen: Entweder wird die neue Technologie Arbeitsplätze vernichten und verheerende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, oder sie wird eine strahlende Zukunft für alle schaffen, indem sie nur die langweiligen Jobs vernichtet und bessere, interessantere hervorbringt. ChatGPT zum Beispiel hat einen Hype sondergleichen entfacht, bei dem das Publikum wie ein Pendel zwischen zwei Extrempositionen hin und her zu schwingen scheint. Auf der einen Seite gibt es die geradezu euphorischen Reaktionen. In diesem Lager wird darüber fabuliert, wie wir diese vermeintlich superintelligente Technologie nutzen können, um unsere Arbeit zu bereichern – vom Journalismus über Programmieren und Datenanalyse bis hin zu Projektmanagement oder Schulaufgaben. Auf der anderen Seite zeigen sich viele besorgt über den möglichen Missbrauch. So könnte ChatGPT genutzt werden, um Malware oder Phishing-E-Mails zu schreiben, Fehlinformationen zu verbreiten, private Daten weiterzugeben oder Arbeitskräfte zu ersetzen. In diesem Beitrag wollen wir eine differenziertere Sichtweise einnehmen, indem wir die gängigsten Argumente und Behauptungen diskutieren und mit den Fakten vergleichen. Bevor wir dies tun, sollten wir jedoch klären, was KI-getriebene digitale Transformation ist. Kurz gesagt: Es geht um Automatisierung, um den Einsatz von KI-Technologien für Aufgaben, die wir nicht (mehr) dem Menschen überlassen wollen oder die der Mensch nicht bewältigen kann – genau wie in der ersten, zweiten und dritten industriellen Revolution.

Vom Strumpfwebstuhl zur KI-Kunst

Jede dieser Revolutionen ging mit der Befürchtung einher, dass die menschliche Arbeitskraft überflüssig werden könnte. Warum also automatisieren? Auch wenn es in manchen Fällen den Erfinder*innen rein um die erfinderische Leistung an sich geht, so sind es doch meist wirtschaftliche Interessen, die eine Erfindung oder Entwicklung vorantreiben. Das Gleiche gilt für deren breite Anwendung: Ohne wirtschaftliche Vorteile setzen sich Innovationen kaum durch. Und unabhängig von der Epoche hatten und haben Unternehmen selten andere Ziele als wettbewerbsfähig zu bleiben und Gewinne zu steigern. Strumpfwebstühle wurden im 16. Jahrhundert erfunden, um durch den Ersatz menschlicher Arbeit die Produktivität zu steigern und die Kosten zu senken. Aus dem gleichen Grund wurden im 19. Jahrhundert dampfbetriebene Maschinen in Mühlen, Fabriken und in der Landwirtschaft eingesetzt. Roboter im Automobilbau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: dasselbe. Ob Traktoren, Fliessbänder oder Tabellenkalkulationsprogramme – das vorrangige Ziel neuer Technologien war stets der Ersatz menschlicher Muskelkraft durch Maschinenkraft, menschlicher Handarbeit durch maschinelle Konsistenz und langsamer und fehleranfälliger «Humanware» durch digitale Berechnungen. Und doch: Auch wenn durch die Automatisierung viele Arbeitsplätze verloren gingen, es entstanden auch neue. Durch die massive Steigerung der Produktion wurde auch die Verteilung der Waren intensiviert, was wiederum neue Arbeitsplätze schuf. Mit der Verdrängung der pferdebetriebenen Fortbewegung und der pferdebezogenen Berufe durch den Pkw und der zunehmenden privaten Mobilität wurden stattdessen Arbeitsplätze in der wachsenden Branche der Verpflegung und Beherbergung am Strassenrand geschaffen. Die zunehmende Rechenleistung, die menschliche Tätigkeiten in Büros ersetzte, führte auch zu vollkommen neuen Produkten und zur Gaming-Industrie. Der mit diesen Entwicklungen einhergehende steigende Wohlstand und das Bevölkerungswachstum führten zu einem erhöhten Freizeit- und Konsumbedürfnis, das diese Sektoren ankurbelte und Arbeitsplätze schuf – auch wenn der Wohlstand nicht so allgemein zunahm, wie man vielleicht annehmen könnte, wie wir weiter unten sehen werden. Wir können jedoch nicht einfach davon ausgehen, dass die gegenwärtige Revolution dem gleichen Muster folgt und mehr Arbeitsplätze und Wohlstand schafft als vernichtet, nur weil dies in der Vergangenheit der Fall war. Im Gegensatz zu mechanischen Technologien und einfachen Computern haben KI-Technologien nicht nur das Potenzial, billige Arbeitskräfte zu ersetzen, etwa durch Reinigungsroboter oder Roboter in der Landwirtschaft. Sie haben auch begonnen, teure Arbeitskräfte wie Patholog*innen bei der Krebsdiagnose und andere medizinische Fachkräfte bei der Diagnose und Behandlung von Patient*innen zu übertreffen. Diese Technologien übernehmen nun auch kreative Aufgaben wie das Schreiben, die Auswahl von Szenen für Filmtrailer oder die Produktion digitaler Kunst. Natürlich sollten wir nicht gleich von einer dystopischen Zukunft mit weniger Arbeitsplätzen und sinkendem Wohlstand ausgehen. Aber wir müssen bedenken, dass es derzeit in vielen Fällen kostengünstiger ist, teure Arbeitskräfte durch KI-Lösungen zu ersetzen als billige Arbeitskräfte, wie z. B. Textilarbeiter*innen in Bangladesch.

Schauen wir uns also im Sinne einer differenzierteren Betrachtung die derzeit gängigsten Behauptungen an und prüfen, ob sie einer genaueren Betrachtung standhalten.

KI wird mehr/weniger Arbeitsplätze schaffen als vernichten.

Dies ist das Hauptargument, das in utopischen/dystopischen Szenarien vorgebracht wird. Dazu gehören Berichte des WEF (97 Millionen neue Arbeitsplätze gegenüber 85 Millionen wegfallenden Arbeitsplätzen in 26 Ländern bis 2025), von PwC («etwaige Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung dürften langfristig durch neu geschaffene Arbeitsplätze weitgehend ausgeglichen werden»), Forrester (Arbeitsplatzverluste von 29% bis 2030, denen nur 13% neue Arbeitsplätze gegenüberstehen) und viele andere. In jedem Fall kann jede Nettoveränderung erhebliche Herausforderungen mit sich bringen. Wie BCG in einem Bericht von 2021 zu diesem Thema feststellt, ist «die Nettozahl der verlorenen oder neu geschaffenen Arbeitsplätze eine künstlich simple Metrik», um die Auswirkungen der Digitalisierung abzuschätzen. Eine Nettoveränderung von Null oder sogar eine Zunahme der Arbeitsplätze könnte zu erheblichen Asymmetrien auf dem Arbeitsmarkt führen, mit einem dramatischen Talentmangel in einigen Branchen oder Berufen und einem massiven Arbeitskräfteüberschuss und Arbeitslosigkeit in anderen. Andererseits könnte ein Rückgang der Arbeitsplätze zu mehr Jobsharing und kürzeren Arbeitswochen führen, anstatt Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung zu verursachen. Das mag in der Theorie gut klingen, wirft aber zusätzliche Fragen auf: Wie wird sich das auf Löhne und Sozialleistungen auswirken? Und wer erntet den Löwenanteil der monetären Belohnung? Die Unternehmen? Die Arbeitnehmenden? Der Staat? Zweifellos ist es noch zu früh, um die Auswirkungen einer breiten Einführung von KI auf die Gesamtbeschäftigung oder die Löhne zu beurteilen. Aber die Auswirkungen vergangener industrieller Revolutionen sind keine Garantie für ähnliche Ergebnisse in der Zukunft. Und selbst vergangene Revolutionen zeigen, dass das Wachstum von Beschäftigung und Wohlstand nicht unbedingt so rosig war, wie es oft dargestellt wird. Der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist in den OECD-Ländern seit 1970 von 64% auf 69% im Jahr 2022 gestiegen[1], aber ein wesentlicher Teil dieses Anstiegs ist auf eine höhere Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen, zurückzuführen. Und der gestiegene Wohlstand ist eindeutig nicht gleichmässig verteilt, z. B. in den USA.

 

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Quellen: Grafik 1: Economic Policy Institute, https://www.epi.org/publication/inequality-2021-ssa-data/; Grafik 2: Berechnungen der Autorin basierend auf Daten des Economic Policy Institute, State of Working America Data Library, “Wages by percentile and wage ratios,” 2022. Aktualisiert März 2023
*Niedriglohn entspricht dem 10. Perzentil, mittlerer Lohn dem 50. Perzentil, sehr hoher Lohn dem 95. Für die Jahre 2020–2022 sind keine Daten für das 95. Perzentil verfügbar, da ein erheblicher Teil der betreffenden Stichprobenpopulation dem Top-Code-Wert für Wochenlöhne des US Bureau of Labor Statistics entspricht.

 

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass wir als Gesellschaft durch KI und Automatisierung automatisch wohlhabender werden oder dass der gestiegene Wohlstand gerecht verteilt sein wird. Wir sollten uns daher auch auf negativere Szenarien vorbereiten und darüber diskutieren, wie wir die Folgen abmildern können. Wäre es zum Beispiel akzeptabel, KI-Prozesse wie menschliche Arbeit zu behandeln? Wenn ja, könnten wir erwägen, sie zu besteuern, um die Umverteilung des Wohlstands zu unterstützen oder um Schulungen oder Sozialleistungen und Renten für entlassene Arbeitskräfte zu finanzieren.

Darüber hinaus sollten wir alle Schätzungen zur Verdrängung von Berufen grundsätzlich in Frage stellen. Wer kann mit Sicherheit sagen, dass dieser oder jener Beruf verschwinden wird? Wie können wir wissen, welche Art von Berufen es in Zukunft geben wird? Keine dieser Prognosen ist wirklich verlässlich oder objektiv – sie beruhen in erster Linie auf den Meinungen einer Gruppe von Menschen. Der «Future of Jobs Report» des WEF, einer der einflussreichsten Berichte zu diesem Thema, basiert beispielsweise auf Umfragen unter Arbeitgebenden. Es ist jedoch naiv zu glauben, dass irgendjemand, geschweige denn eine beliebige Gruppe von Wirtschaftsvertreter*innen, eine sichere Vorstellung davon haben kann, welche Berufe und Kompetenzen in Zukunft benötigt werden. Davon sollte man nicht mehr erwarten als von der Wahrsagerei auf dem Jahrmarkt. Man denke nur an die Vorhersagen über das Automobil im frühen 19. Jahrhundert, über den Fernabsatz in den 1960ern, über Mobiltelefone in den 1980ern oder Computer seit den 1940ern. So viele technologische Vorhersagen waren völlig falsch – warum sollte sich das jetzt ändern? Und doch sind diese Art von Glaskugelprognosen ein Schlüsselelement in den Einschätzungen zur «Zukunft der Arbeit».

Tatsächlich ist die wissenschaftliche Forschung zu diesem Thema sehr rar. Eine der wenigen Arbeiten in diesem Bereich untersuchte die Auswirkungen der KI auf die Arbeitsmärkte in den USA zwischen 2007 und 2018. Die Autoren (vom MIT, Princeton und der Boston University) fanden heraus, dass eine zunehmende Nutzung von KI in Unternehmen mit niedrigeren Einstellungsraten einhergeht, d.h. die Einführung von KI hat sich bisher eher auf den Ersatz als auf die Ergänzung von Arbeitsplätzen konzentriert. In derselben Studie gibt es auch keine Hinweise darauf, dass die starken Produktivitätseffekte von KI zu mehr Neueinstellungen führen. Manche mögen sagen, dass dies für eine dystopische Sichtweise spricht. Wir müssen jedoch auch darauf hinweisen, dass diese Studie auf Online-Stellenangebotsdaten basiert und die Ergebnisse daher mit Vorsicht zu betrachten sind, wie wir in einem unserer anderen Beiträge ausführlich erläutert haben. Darüber hinaus ist es aufgrund der Dynamik der technologischen Innovation und ihrer Verbreitung nahezu unmöglich, solche Ergebnisse zu extrapolieren und zu projizieren, um solide Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen zu machen.

Und eine eher philosophische Randnotiz: Was würde es für die menschliche Existenz bedeuten, wenn wir deutlich weniger arbeiten würden? Arbeit ist in unserer Natur verankert, sie ist ein prägendes Merkmal.

Behauptung 2: Computer sind gut in dem, was uns schwer fällt, und schlecht in dem, was uns leicht fällt.

Schwer und leicht für wen? Glücklicherweise haben wir nicht alle die gleichen Stärken und Schwächen und finden daher nicht alle die gleichen Aufgaben «leicht» und «schwer». Auch dies ist eine stark verallgemeinernde Aussage, die auf einem völlig subjektiven Urteil beruht. Und wenn sie zuträfe, dann würden die meisten Menschen sich wiederholende Aufgaben als typisch leicht oder zumindest als leichter empfinden. Dies steht in direktem Widerspruch zur nächsten Behauptung:

Behauptung 3: KI wird (nur) repetitive Tätigkeiten vernichten und interessantere, höherwertige Tätigkeiten hervorbringen.

Das WEF erklärt, dass KI repetitive Tätigkeiten wie Dateneingabe und Fliessbandfertigung automatisieren wird, «so dass sich Arbeitnehmende auf höherwertige und ‹higher touch›-Aufgaben konzentrieren können», mit «Vorteilen sowohl für Unternehmen als auch für Einzelpersonen, die mehr Zeit haben werden, um kreativ, strategisch und unternehmerisch tätig zu sein.» BCG spricht von einer «Verlagerung von Arbeitsplätzen mit repetitiven Tätigkeiten in der Fliessbandfertigung hin zu solchen in der Programmierung und Wartung von Produktionstechnologie» und davon, wie «der Wegfall banaler, repetitiver Tätigkeiten in der Rechtsabteilung, Buchhaltung, Verwaltung und ähnlichen Bereichen den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, strategischere Rollen zu übernehmen». Die Frage ist, wer genau profitiert? Nicht alle Arbeitnehmenden, die repetitive Tätigkeiten ausführen können, haben das Potenzial, strategische, kreative und unternehmerische Aufgaben zu übernehmen oder Produktionstechnologie zu programmieren und zu warten. Es ist schlicht eine Tatsache, dass nicht jede Person für jede Rolle ausgebildet werden kann. Befriedigendere, interessante Aufgaben für Intellektuelle (wie z. B. die Befürworter einer besseren Zukunft der Arbeit dank KI) können zu anspruchsvoll sein für weniger intellektuelle Arbeitnehmende, deren Arbeit – die für sie vielleicht vollkommen zufriedenstellend war – gerade automatisiert wurde. Und nicht alle Angestellten können oder wollen Unternehmer*innen oder Strateg*innen sein. Ausserdem: Was genau bedeutet «höherwertig»? Wer profitiert davon? Neu geschaffene Stellen, wie z. B. die Lagerarbeiter*innen bei Amazon oder die Fahrer*innen von Uber, werden nicht gerade mit anständigen, existenzsichernden Löhnen bezahlt. Und seit den frühen 1970er Jahren haben die Unternehmen ein ausgeprägtes Desinteresse daran gezeigt, den Mehrwert aus Produktivitätssteigerungen mit den Beschäftigten zu teilen:

 

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Quelle: Economic Policy Institute, https://www.epi.org/productivity-pay-gap/

 

Andererseits führt eine beträchtliche Anzahl der bereits verfügbaren KI-Anwendungen höher- bis hochqualifizierte Aufgaben aus, die auf Data Mining, Mustererkennung und Datenanalyse beruhen: Diagnose und Behandlung von Krankheiten, Chatbots für den Kundenservice, Optimierung von Ernten und Anbaustrategien, Finanz- oder Versicherungsberatung, Betrugserkennung, Planung und Routing in der Logistik und im öffentlichen Verkehr, Marktforschung und Verhaltensanalyse, Personalplanung, Produktdesign und vieles mehr. Nun kommen noch die vielfältigen Anwendungen von ChatGPT hinzu. Die volle Auswirkung dieser Anwendungen auf den Arbeitsmarkt ist noch nicht klar, aber sie werden sicherlich nicht nur banale, sich wiederholende Aufgaben aus den Stellenprofilen verdrängen.

Behauptung 4: Wir müssen die Arbeitskräfte (nur) weiterbilden oder umschulen.

Obwohl wir dieser Aussage nicht generell widersprechen, wird sie oft als mehr oder weniger einfache Lösung angeführt, um sich auf die künftigen KI-bedingten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt vorzubereiten und «die positiven gesellschaftlichen Vorteile der KI zu nutzen» (WEF). Tatsächlich gibt es jedoch einige Vorbehalte, die diese Lösung alles andere als einfach machen.

Erstens können wir nicht oft genug wiederholen, dass es unmöglich ist, die «Zukunft der Arbeit» zuverlässig vorherzusagen, insbesondere, welche Berufe gefragt sein werden und welche nicht. Ausgehend von den Auswirkungen früherer industrieller Revolutionen und der aktuellen Forschung ist es ausserdem sehr wahrscheinlich, dass die breite Einführung von KI neue Stellen mit Profilen schaffen wird, die wir noch nicht vorhersehen können. Das bedeutet, dass wir heutige und künftige Fachkräfte mit den Fähigkeiten ausstatten müssen, die für Berufe erforderlich sind, von denen wir heute noch nichts wissen. Eine häufig vorgeschlagene Lösung für dieses Problem ist die Förderung des lebenslangen Lernens und die Unterstützung von anpassungsfähigeren und kurzfristigeren Formen der Aus- und Weiterbildung. Dies ist sicherlich eine sinnvolle und zunehmend populäre Option. Allerdings sind dabei verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Beispielsweise verfügen 15–20% der erwachsenen Bevölkerung in der EU und den USA über geringe Lese- und Schreibkenntnisse (PIAAC-Level 1 oder darunter)[2]. Das bedeutet, dass sie Schwierigkeiten haben, Aufgaben wie das Ausfüllen von Formularen oder das Verstehen von Texten zu unbekannten Themen zu bewältigen. Wie können diese Menschen für «komplexere und lohnendere Projekte» ausgebildet werden, wenn sie nicht in der Lage sind, ein Lehrbuch zu lesen, sich in einem Handbuch zurechtzufinden oder einen einfachen Bericht zu schreiben? Hinzu kommt, dass etwa 10% der Vollzeitbeschäftigten in der EU und den USA zu den Working Poor gehören.[3] In den USA entspricht dies mehr als der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung von Texas, einer der bevölkerungsreichsten Staaten des Landes. Diese Menschen haben in der Regel nicht die Zeit, die Ressourcen oder die Unterstützung ihrer Arbeitgeber*innen für lebenslanges Lernen und somit keinen informierten Zugang zu effizienter, zielgerichteter und erschwinglicher (Weiter-)Bildung.

Bis diese Probleme angegangen werden, könnten viele dieser Beschäftigten den Anschluss verpasst haben. Im Jahr 2018 schätzten Arbeitgeber*innen in den USA, dass mehr als ein Viertel ihrer Belegschaft bis 2022 eine mindestens dreimonatige Weiterbildung benötigen würde, um mit den Qualifikationsanforderungen ihrer aktuellen Aufgaben Schritt zu halten.[4] Zwei Jahre später hatte sich dieser Anteil auf über 60% mehr als verdoppelt, und weltweit sind die Zahlen ähnlich.[5] Hinzu kommt, dass selbst vor der Grossen Rezession, in den Jahren 2000 bis 2006, nur etwa 6 von 10 arbeitslos gewordenen US-Arbeitskräften innerhalb von 12 Monaten wieder eingestellt wurden.[6] Im Jahr 2019 war diese Quote in der EU ähnlich hoch.[7] Angesichts der sich immer schneller ändernden Qualifikationsanforderungen und des Mangels an Zeit und/oder Ressourcen für gefährdete Gruppen wie die Working Poor und Beschäftigte mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen, ganz zu schweigen von fehlenden Sicherheitsnetzen und gezielten Massnahmen in den unterfinanzierten Systemen zur Entwicklung der Arbeitskräfte, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Aussichten für diese Menschen verbessern.

Darüber hinaus hat die Pandemie die Einführung von Automatisierung und KI am Arbeitsplatz in vielen Sektoren massiv beschleunigt. Roboter, Maschinen und KI-Systeme wurden eingesetzt, um in kürzester Zeit Böden zu reinigen, Temperaturen zu messen oder Lebensmittelbestellungen aufzunehmen, Personal in Kantinen, an Mautstellen oder in Callcentern zu ersetzen, leerstehende Gebäude zu bewachen, die industrielle Produktion von Krankenhausmaterial zu steigern und vieles mehr. In der Vergangenheit wurden neue Technologien schrittweise eingeführt, so dass die Beschäftigten Zeit hatten, sich auf die neuen Aufgaben einzustellen. Diesmal mussten die Arbeitgeber*innen ihre Mitarbeiter*innen aufgrund plötzlicher Schliessungen oder sozialer Distanzierung schnell durch Maschinen oder Software ersetzen. Dies ist ein entscheidender Unterschied zu früheren industriellen Revolutionen. Viele Arbeitskräfte wurden entlassen und hatten nicht genügend Zeit, sich umzuschulen. Ähnlich disruptive Ereignisse können auch in Zukunft auftreten, sei es eine weitere Pandemie oder ein technologischer Durchbruch. Als Gesellschaft müssen wir darauf vorbereitet sein und den betroffenen Arbeitskräften rasche, effiziente und vor allem realistische Unterstützung bieten.

Behauptung 5: Arbeitgeber*innen sollten Weiterbildung und Umschulung als Investition und nicht als Kostenfaktor betrachten.

Wenn ein Unternehmen alle Kassierer*innen durch Roboter ersetzt, warum sollte es dann die neu entlassenen Arbeitskräfte umschulen wollen? Selbst Regierungen tun sich schwer mit dieser Einstellung zur Aus- und Weiterbildung. Viele Länder konzentrieren sich in erster Linie auf die akademische oder sonstige Ausbildung junger Arbeitskräfte und nicht auf die Umschulung von Arbeitssuchenden oder Beschäftigten. Beispielsweise gibt die US-Regierung nur 0,1% des BIP für die Unterstützung von Arbeitskräften beim Arbeitsplatzwechsel aus. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was sie vor 30 Jahren ausgegeben hat – und das, obwohl sich die Qualifikationsanforderungen viel schneller ändern als noch vor drei Jahrzehnten. Und die überwiegende Mehrheit der Unternehmen ist in erster Linie an Gewinnmaximierung interessiert – so funktioniert unsere Wirtschaft. Man bedenke: Wir leben in einer Welt, in der in manchen Ländern selbst Sandwichverkäufer*innen und Hundesitter*innen von ihren Unternehmen gezwungen werden können, Wettbewerbsklauseln zu unterzeichnen, um eine Lohnerhöhung zu verhindern, falls sie damit drohen, für ein höheres Gehalt zur Konkurrenz zu wechseln.

Eine gut funktionierende Konversationssoftware könnte es einem Unternehmen ermöglichen, ein Callcenter mit 1000 Beschäftigten mit nur 100 Personen plus Chatbots zu betreiben. Ein Chatbot kann 10’000 Anfragen in einer Stunde beantworten, weit mehr als jedes realistische Volumen, das selbst die effizientesten Callcenter-Mitarbeiter*innen bewältigen könnten. Darüber hinaus wird ein Chatbot nicht krank, braucht keinen Urlaub und fragt nicht nach Vergünstigungen und Leistungen. Er trifft konsistente, evidenzbasierte Entscheidungen und bestiehlt oder betrügt seine Arbeitgeber*innen nicht. Wenn also die Qualität dieser Software ausreicht und der Preis stimmt, gäbe es einen Aufschrei der Aktionäre, wenn ein Unternehmen dieses Angebot nicht annähme. Schliesslich ist eine Lösung, die die Effizienz und Produktivität steigert und gleichzeitig die Kosten senkt, der wahr gewordene Traum eines jeden Unternehmens. Wenn sich dieses Unternehmen also nicht dafür entscheidet, wird es die Konkurrenz tun. Und trotz der Propaganda von «Tech for Social Good», die wir immer wieder aus dem Silicon Valley hören, sind die meisten Unternehmen nicht an der Zukunft ihrer zukünftigen Ex-Angestellten interessiert.

Jenseits des Tellerrands

Die Quintessenz ist, dass wir es uns nicht leisten können, zu sehr zu dramatisieren oder uns einfach zu versichern, dass es genug Arbeitsplätze geben wird. Die meisten der häufig genannten Probleme oder Lösungen werden eher in der akademischen oder einkommensstarken Bubble von Forschern, Technologieunternehmern und politischen Entscheidungsträgern diskutiert, gemischt mit einer gehörigen Portion Idealismus. Diese Entwicklungen haben – im Guten wie im Schlechten – ein enormes Potenzial, unsere Arbeitsmärkte und unsere Gesellschaft von Grund auf zu verändern. Um ihnen einen Schritt voraus zu sein, müssen wir über den Tellerrand hinausschauen und realistische Zukunftsstrategien entwickeln, die auf Fakten und objektiven Daten beruhen.

 

[1] https://stats.oecd.org/Index.aspx?DatasetCode=LFS_SEXAGE_I_R#

[2] US: https://www.libraryjournal.com/?detailStory=How-Serious-Is-Americas-Literacy-Problem
EU: http://www.eli-net.eu/fileadmin/ELINET/Redaktion/Factsheet-Literacy_in_Europe-A4.pdf

[3] US: https://nationalequityatlas.org/indicators/Working_poor?breakdown=by-race-ethnicity&workst01=1
EU: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/sdg_01_41/default/table?lang=en

[4] The Future of Jobs Report 2018, World Economic Forum, 2018.

[5] The Future of Jobs Report 2020, World Economic Forum, 2020.

[6] Back to Work: United States: Improving the Re-employment Prospects of Displaced Workers, OECD, 2016.

[7] https://skillspanorama.cedefop.europa.eu/en/dashboard/long-term-unemployment-rate?year=2019&country=EU#1 

«Liebe Fluggäste, bitte seid besorgt…» Zur Konsumentenverantwortung

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Lesen Sie den letzten Beitrag aus unserer Reihe über aktuelle Geschehnisse auf dem Arbeitsmarkt, geschrieben aus der Perspektive eines Flughafenmitarbeitenden. Zum Abschluss der Serie wenden wir uns dem Thema Preisdruck und der damit verbundenen Konsumenten(mit)verantwortung zu und veranschaulichen dieses anhand des Beispiels der serbelnden Luftfahrtbranche. Dabei wird auch aufgezeigt, dass die Probleme dieser Industrie uns alle nicht nur aufgrund der Auswirkungen auf die Umwelt interessieren sollte.

 

Liebe Leser:innen

In den vergangenen Wochen habe ich mit grossem Interesse und oftmals auch einem Schuss Entsetzen die Berichterstattung diverser Medienkanäle über die anhaltende Krisensituation aufgrund des Personalmangels im Luftverkehr verfolgt. Auch wenn ich nicht immer alles Gesagte nachvollziehen konnte – insbesondere in den Kommentarbereichen – empfinde ich es im Grundsatz als sehr wichtig, dass diese Angelegenheit medial thematisiert wird. (Disclaimer: Ich selbst bin seit vielen Jahren als Gepäckabfertiger in ebendieser Branche tätig, stehe am Flughafen in regem Austausch mit meinen Arbeitskolleg:innen und spreche deshalb tatsächlich aus Erfahrung.) Bei diesen Beiträgen habe ich von Kadergehälteranalysen bis hin zu Versicherungstipps für Reisende fast alles gelesen, gesehen oder gehört. Jedoch schien mir eine, eigentlich augenscheinliche, Komponente des Schlamassels dabei zu kurz zu kommen. Sie haben es womöglich bereits erraten, es ist die Rolle der Konsumentinnen, welche zufälligerweise (?) oftmals mit der Zielgruppe der zitierten Medien zusammenfallen. Im Folgenden würde ich deshalb gerne ein paar Worte zu diesem Thema sagen. Bevor Sie jetzt abwinken, weil Sie sich als Wenig- oder Nichtflieger nicht angesprochen fühlen, erlaube ich mir noch diese Vorbemerkung: Meine Erfahrung aus der Flugbranche ist lediglich ein Beispiel für eine Problematik, die sich weit darüber hinaus in andere Bereiche erstreckt. Ganz egal, ob hier oder beim Import von günstigen Waren. Der Luxus der einen geht immer auf Kosten von anderen. Und seien Sie sich bewusst, dass wir uns diese Tatsache durch die Linse der reichen Schweiz ansehen – was sie für andere Länder bedeutet, möchten sich viele gar nicht erst vorstellen.

Noch eins vorneweg: Ich bedanke mich wirklich herzlich bei jenen, die sich öffentlich für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne in meiner Branche aussprechen. Diese verbale Unterstützung ist ein wichtiger Anfang, um die Umstände in Sektoren und Berufen wie den meinen zu verbessern. Doch sie ist eben auch nur dies; verbal und ein Anfang. Ist es löblich, seine Stimme zu erheben für Arbeitnehmende, die aufgrund des allgemeinen Reisefiebers gerade anderes zu tun haben, als sich in den Kommentaren über lange Wartezeiten zu streiten? Oder ihnen ein Dankeschön auszusprechen? Durchaus. Nur leider habe ich auf Dauer dennoch herzlich wenig davon, wenn mein Gehalt, das sich nach dem (noch immer geltenden) Krisen-GAV richtet, knapp über dem Existenzminimum zu liegen kommt. Zudem verlieren die Urheber:innen solcher Aussagen in meinen Augen gewaltig an Aufrichtigkeit und Glaubhaftigkeit, wenn man sie als Konsumenten im echten Leben dann doch selbst auf der Jagd nach dem billigsten Schnäppchen oder bei der lauthalsen Kundgabe ihres Unmuts über einen verlorenen Koffer antrifft. Ganz à la «Ich finde ja auch, dass diese armen Schweine, welche mein Gepäck befördern, mehr verdienen. Aber…». Sobald man das Leid selbst zu spüren bekommt, hört bei vielen die Solidarität schlagartig auf. Noch besser sind natürlich diejenigen, die sich nicht einmal Gedanken zu Leuten wie mir machen und es «einfach nur geil» finden, jedes Wochenende in einer anderen europäischen Stadt Party zu machen…

Vielerorts hört man zur Flugdiskussion gerade massenhaft Gezeter über die misswirtschaftenden, gierigen Manager der Airlines und Flughäfen. Glauben Sie mir, in vielen Punkten stimme ich vermutlich mit Ihnen überein. Selbstverständlich ist bei einer Preiserhöhung noch nicht gewährleistet, dass sich dies automatisch positiv auf die Löhne der Beschäftigten auswirkt. Doch dies ändert nichts an der Tatsache, dass die meisten Leute erst gar nicht bereit dazu sind, höhere Preise für ihre Flüge zu bezahlen – nicht immer nur, weil sie es sich nicht leisten könnten. Schliesslich stolperte ich in Bezug auf das Fliegen bereits mehrmals über das Wort «Menschenrecht». «Fun» Fact aus dem Kassensturz: Um alle tatsächlich anfallenden Kosten decken zu können, müssten Flugticketpreise aber eigentlich mindestens doppelt so hoch sein. Gemeint damit sind die Minderkosten resultierend aus veralteten Sonderrechten für die Flugbranche: Anders als fürs Auto gibt es für Airlines beispielsweise keine Mineralölabgabe. Auch Mehrwertsteuern werden, ganz anders als bei Zugfahrkarten, auf Flugtickets keine erhoben.

Sofern die Forderungen von branchenfernen Personen nach faireren Löhnen für unsereinen ernst gemeint sind, sollten diese tatsächlichen Kosten des Luftverkehrs im weiteren Sinne aber auch die beinahe durchs Band knausrige Bezahlung vieler Beschäftigten in meiner Branche miteinschliessen. Seit Anfang der 1980-Jahren und der weltweiten Deregulierung der kommerziellen Luftfahrt wurde Fliegen stetig günstiger, kein Wunder also, sind die heutigen Konsument:innen sehr empfindlich auf Kostenanstiege geworden – sie sind sich nichts anderes als Billigflüge mehr gewohnt. Es müsste ihnen aber bewusst sein (oder werden), dass der dadurch entstandene Preisdruck oftmals ungefiltert an das Personal in der Luft und auf dem Boden weitergegeben wird. Wie gesagt, es kann nicht nur Gewinner bei solchen Rechnungen geben. Nur als kleines Beispiel: Ein Cabin Crew Member verdient in der Schweiz je nach Dienstalter zwischen CHF 3’145 und 4’500 brutto, nach Sozialabzügen und Krankenkasse wohl kaum genug zum Leben, vor allem wenn man Berufes wegen nicht weiter als eine Stunde entfernt vom Flughafen wohnen darf. Geschweige, um fürs Alter vorzusorgen. Dass es also immer schwieriger wird, Leute zu finden, die zu solchen Konditionen arbeiten, ist nun echt nicht erstaunlich. Ganz offensichtlich liegt es hier also auch an jener «preissensitiven» Kundschaft, ihre Mitverantwortung an den Konsequenzen ihrer Ansprüche anzuerkennen und ihren Standpunkt neu zu definieren. Von der Scheinheiligkeit gewisser Fluggäste, die behaupten mit einem Meatless Monday und etwas Fair Fashion ihren Flug nach Bali ökologisch zu kompensieren, sei hier mal ganz abgesehen…

Und noch etwas: Wie sich bereits jetzt abzeichnet, sind es nicht nur die Folgen für die Umwelt, welche im Endeffekt uns alle betreffen. Was uns die Lage an vielen internationalen Flughäfen gerade aufzeigt, ist, dass geiziges und weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltiges Verhalten letztendlich gewaltig nach hinten losgehen kann und die daraus entstandenen Kosten (nach den direkten Verlierern der Gleichung) früher oder später auch die Allgemeinheit zu tragen haben wird. Sei es in Form von Verspätungen, abhanden gekommenem Gepäck oder wenn mit dem Steuergeld die Prämienverbilligungen von unterbezahlten Stewardessen bezahlt werden müssen und aufgrund der zu tiefen Gehälter die nationale Altersvorsorge immer grössere Finanzierungslöcher aufweist. Auch was die Reaktion der Konsument:innen auf die annullierten Flüge mit sich bringen kann, sehen wir bereits: Viele weichen auf das Auto (nicht etwa klimafreundlichere Züge o.ä.) aus und es bilden sich derzeit Staus, wie wir sie seit Langem nicht gesehen haben. Ob das nun besser ist, sagen Sie es mir.

Darum, meine Damen und Herren, plädiere ich für mehr Konsumenten(mit)verantwortung, auch im Falle der Luftfahrt. Es ist natürlich einfacher und angenehmer, jegliche Teilhabe an problematischen Entwicklungen abzustreiten und mit dem Finger auf andere zu zeigen oder alles als strukturelles (und deshalb vom Individuum unlösbares) Problem zu bezeichnen. Dies löst aber die Sache nicht und hilft den direkt betroffenen Beschäftigten nur begrenzt. Das Szenario ist ein ähnliches wie in anderen Wirtschaftsbereichen; man denke nur an den Gastronomiebereich oder das Fast-Fashion-Paradox.  Ich finde: Unwissen (oder ist es kalkulierte Ignoranz?) schützt vor Mitschuld nicht vollständig und solange ich weiterhin Passagiere dabei belausche, wie sie sich über die kleinsten Anstiege in den Gebühren und Preisen aufregen, solange kann ich ihre Anerkennung und ihr Mitgefühl nicht zu 100 Prozent ernst nehmen. Deshalb, liebe Fluggäste, bitte seid besorgt, denn die Auswirkungen des aktuellen Schlamassels bekommt ihr nicht nur beim nächsten Streik zu spüren.

Mario V., Leser [1]

 

Bei JANZZ ist es uns nicht nur wichtig, dass unabhängig vom Standort und Sektor die besten Jobkandidat:innen den besten Match mit einer ausgeschriebenen Stelle erhalten, sondern auch, dass diese angemessen für ihre Arbeit entschädigt werden. Dies ist einer der vielen Gründe, warum wir ein vertrauensvoller Partner für eine stetig wachsende Zahl von Öffentlichen Arbeitsvermittlungen (PES) in verschiedenen Ländern weltweit sind. Wir entwickeln evidenzbasierte Lösungen und setzen diese bereits seit 2010 erfolgreich ein. Unsere Job- und Skill-Matching-Lösungen sind fair und diskriminierungsfrei und liefern komplett unvoreingenommene Ergebnisse gemäss den OECD-Grundsätzen zu KI.

Möchten Sie einen Schritt in Richtung gerechtere Arbeitsmärkte machen? Dann kontaktieren Sie uns unter info@janzz.technology, über unser Kontaktformular oder besuchen Sie unsere Produktseite für PES.

 

[1] Mario V. ist eine fiktive, der Realität nachempfundene Figur aus unserer Reihe zu den aktuellen Geschehnissen in der Luftfahrt und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Siehe hier für Teil 1 und Teil 2. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten realen Personen sind rein zufällig.

KI-Ethik – von nichts kommt nichts.

 
Mit dem Siegeszug von Big Data setzen private wie öffentliche Organisationen zunehmend KI-Technologien ein, um die Automatisierung und datengestützte Entscheidungsfindung voranzutreiben und so die Effizienz zu steigern und das Wachstum zu fördern. Der zunehmende Einsatz von KI-Technologien wird jedoch von einem nicht abreissenden Strom von Skandalen um deren unethischen Einsatz begleitet. KI-Assistenten wie Google, Alexa, Siri und Co. und Arbeitende der dahinterstehenden Unternehmen, die «versehentlich» private Gespräche von Menschen abhören; Facebooks algorithmische Förderung von Fehlinformationen,  » Lesen Sie mehr über: KI-Ethik – von nichts kommt nichts.  »

Fachkräftemangel im Berufsbildungsbereich: Planung ist nicht alles, aber viel


Aus allen Lautsprechern dröhnt die feierlich hallende Ansprache des Bundesrats zur Einweihung des neuen Bürokomplexes eines bekannten Technologieunternehmens in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs. Obwohl Gepäckabfertiger Mario nur halbwegs aufpasst, sind die omnipräsenten Schlagwörter «Digitalisierung», «Innovationsschub» und «Zukunftsplanung» nicht zu überhören. Unterwegs zu seiner Lieblingskneipe an der Langstrasse zwängt sich Mario an den dutzenden von Schaulustigen und Apérojägern vorbei und gibt sich dabei alle Mühe, keine Champagner-Dusche abzubekommen. Kurz erhascht er einen Blick auf das Innenleben der neuen Location des Techgiganten: Töggelikasten,  » Lesen Sie mehr über: Fachkräftemangel im Berufsbildungsbereich: Planung ist nicht alles, aber viel  »

4-Tage-Woche? Vergessen Sie es, der Countdown zur Implosion des Arbeitsmarkts hat auch so schon begonnen

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Kloten, 06:43 an einem Freitagmorgen im bis anhin von sengender Hitze geprägten Juli. Gepäckabfertiger Mario V. geniesst bei einer Zigarette gerade eine kurze Verschnaufpause zwischen LX 243 aus Dubai und LX 1952 nach Barcelona. Wobei, «geniessen» scheint momentan doch eine einigermassen übertriebene Wortwahl zu sein. Seit Beginn der Sommersaison sind Marios Arbeitstage – wie jene der meisten seiner Arbeitskolleg:innen auf dem Boden und in der Luft – nämlich vor allem von zahlreichen Überstunden, chaotischen Anweisungen vonseiten des Arbeitgebers und unhöflichen (oder schlichtweg beleidigenden) Aussagen der nun scharenweise Ferien machenden Fluggäste geprägt. All dieser Stress entsteht unter anderem aufgrund der Entscheidung mehrerer Fluggesellschaften, wegen des krassen Personalmangels in diesem Jahr Hunderte von Flügen zu annullieren und die verbleibenden mit dem seit der Pandemie stark abgespeckten Stab an Mitarbeitenden durchzuwursteln. Während er durch die News scrollt, stösst Mario auf einen Artikel über den Fachkräftemangel und dessen Kommentarspalte, über welche er unter ruhigeren Umständen vielleicht hätte lachen können. Bei der derzeitigen Lage bringt sie ihn aber bereits zu dieser frühen Stunde auf hundertachtzig: Da massen sich irgendwelche von Home-Office und Gratiskaffee verwöhnten Besserverdiener an, Dinge wie die 4-Tage-Woche oder den 6-Stunden-Tag zu fordern. Und zwar «insbesondere für Menschen in Berufen mit kaum einem Ausgleich für den Kopf», weil hier ja nur das Ergebnis und nicht die Arbeitszeit zähle. «Ja, herzlichen Dank auch für eure Solidarität!», denkt sich Mario. Ist denen eigentlich bewusst, dass er ihre Koffer von Hand umladen muss und ihm dabei kein einziger Fehler unterlaufen darf, dass seine Arbeit also Kopfarbeit und Knochenarbeit kombiniert und ihm seine Aufgaben gerade Leistungen eines Super Marios abfordern? Die viel gepriesene Fehlerkultur scheint offensichtlich nicht über die eigene Büro-Ecke hinaus zu greifen. Sobald jemandem ausserhalb des eigenen Arbeitsmilieus ein Malheur passiert, bleibt die Toleranz auf der Strecke – so gerade geschehen beim Ausfall der Flugsicherungstechnologie von Skyguide. Niemand lobbyiert hier für Leute wie ihn, sondern stellt seinesgleichen auf dem Weg nach Mykonos gerne noch als inkompetenten, faulen Sack hin. Schlechtgelaunt kehrt Mario zurück in den Frachtbereich, um ebendiesen manuell zu beladenen Gepäckwagen fürs Rollfeld bereitzumachen…

Unmögliche 4-Tage-Woche? Auf jeden Fall unsolidarisch…

Das obige fiktive Beispiel veranschaulicht auf einfache Art und Weise, wie inzwischen viele der sich anstauenden Probleme auf dem weltweiten Arbeitsmarkt vor unserer Haustür angekommen sind. Man fragt sich derweilen: Wieso hat diesem Desaster in der Flugindustrie niemand vorgebeugt, sodass Mario und viele andere Arbeitnehmenden nicht bald wieder einmal auf das ultimative (aber nur bedingt hilfreiche) Druckmittel des Streiks zurückgreifen müssen oder ihnen noch ein Wechsel in die 50-Stundenwoche droht?

Genau eine solche Anhebung der Wochenarbeitsstunden (auf 42 h) wurde gerade vom deutschen Industriepräsidenten vorgeschlagen, dies vor allem, um dem viel zitierten und sich ausbreitenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Der Vorschlag stiess auf heftige Kritik und der Antragsteller wurde bezichtigt, in der Vergangenheit stecken geblieben zu sein. Am anderen Ende des Spektrums reden sich Expert:innen (und Möchtegern-Fachleute) gerade den Mund fusselig über alternative, «zeitgemässe» Arbeitszeitmodelle wie eben die Komprimierung einer Vollzeitbeschäftigung auf eine sogenannte 4-Tage- oder 36-Stunden-Woche. Mit blinder Euphorie wird von den an einer Hand abzählbaren «positiven Beispiele» wie Microsoft Japan oder dem mikrokosmischen Inselstaat, sprich Spezialfall, Island vorgeschwärmt, um das eigene Wunschdenken im Kopf zu manifestieren. Sehen wir mal ganz von der eingangs angetönten Ungerechtigkeit ab, dass es viele Arbeitnehmende in Branchen gibt, für die derartige Forderungen schlichtweg nicht realisierbar sind, weil ihre Tätigkeit nicht alleinig auf Produktivität, sondern auch auf Bereitschaftsdienst, Anwesenheitspflicht und keiner Montag-Freitag/9-5-Basis mit Gleitzeit gründet. Beispielsweise also im Gastgewerbe, der Pflege, im Detailhandel, der Abfallwirtschaft oder im Unterrichtswesen. Oder eben in der Luftfahrt. Selbst wenn man dies noch ignoriert oder es einem egal ist – obwohl man selbst immer nach noch mehr Flexibilität schreit, drängt sich beim Betrachten der aktuellen einschlägigen Arbeitsmarktkennzahlen die Frage auf, wie um Himmels Willen denn diese Rechnung aufgehen soll.

Fachkräftemangel und Arbeitszeitreduktion: Diese Rechnung kann nicht aufgehen

Ein von Befürwortern gerne genannter Nebeneffekt der Beschränkung auf vier Arbeitstage pro Woche betrifft nämlich das Schaffen zusätzlicher Arbeitsplätze. Angesichts der derzeitigen Lage würde dies aber wohl eher noch weitere Probleme mit sich bringen, statt welche zu lösen – der Ausdruck «zeitgemässe Arbeitszeitplanung» ist also nur bedingt passend. Immerhin ist inzwischen vielen bekannt, dass es in der Schweiz – so wie vielerorts – momentan ein x-Faches mehr Arbeit (in Form von Stellen, sprich durch Menschen zu verrichtende Arbeitsstunden) als Menschen auf der Suche nach Arbeit gibt und sich dieser Trend noch intensivieren könnte. Zu spüren bekommen wir dies dann eben während solcher Szenarien wie dem jetzigen in der Luftfahrt: Die miserable Bezahlung und schlechten Arbeitskonditionen in gewissen Branchen tun sich viele nicht (mehr) an und wählen oder wechseln in andere Tätigkeitsfelder mit besseren Bedingungen. Dies geschah insbesondere auf dem Höhepunkt der Pandemie reihenweise, was zig weitere unbesetzte Stellen schuf.

All dies scheint bei den Lobeshymnen auf alternative Arbeitszeitmodelle aus dem gemütlichen Home-Office oder dem schön gelegenen, klimatisierten Büro ausser Acht gelassen zu werden. Genauso, dass Arbeitslosenquote und Erwerbsbeteiligung gerade Tiefst-, respektive Höchststände erreichen, die meisten arbeitswilligen und -fähigen Menschen also bereits einen Job haben.  Genauso, dass die Babyboomer-Generation sich auf dem Weg in die Pension befindet, ohne dass ein Nachrücken von gleich vielen (geschweige denn mehr) Erwerbstätigen erwartet werden dürfte. Kurz gesagt: Dass ein Countdown zur Implosion des Arbeitsmarkts läuft, welche wir alle noch heftiger zu spüren bekommen werden als in Form des lauen Lüftchens, welchem wir momentan an Check-in und Gepäckband auf dem Weg in den Urlaub ausgesetzt sind. Bei solch einer Ausgangslage zu verlangen, dass alle einen Tag weniger arbeiten sollen, ist schlichtweg unsinnig. Mathematisch lässt sich dies relativ simpel anhand eines Dreisatzes zeigen:

 

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Die Krux liegt darin, dass eben nicht 1.2 mal so viel Arbeitskraft wie heute bereits benötigt wird zur Verfügung stehen oder stehen wird (in gewissen Branchen eigentlich nicht einmal 1.0 mal so viel, da es wie gesagt sehr viele offenen Stellen gibt).

Gäbe es denn denkbare Alternativen, die den Fachkräftemangel aktiv bekämpfen, uns aber nicht vor eine rechnerische Unmöglichkeit stellen würden? Eine Möglichkeit wäre die Förderung von Immigration zu Anstellungszwecken; jedoch nicht nur für den hochqualifizierten Fachkräftebereich, wie es gewisse Politiker:innen immer wieder gerne fordern. Allerdings sollte auch hier angemerkt werden, dass neueste Auswertungen darauf hindeuten, dass in gewissen Branchen die Rekrutierungsmöglichkeiten von Zugewanderten selbst bei voller Wahrnehmung der Personenfreizügigkeit derzeit ausgeschöpft sind und damit dem Mangel an Fachkräften nur teilweise entgegengewirkt wird. Dann bliebe da noch die Option, den Arbeitsmarkt in seinen jetzigen Grundzügen neu zu betrachten und gewisse Fehlfunktionen zu beheben…

Auf dem Nachhauseweg von der Frühschicht am Flughafen denkt Mario an seinen morgendlichen Moment des Grolls zurück; es sollte dank weiterer Flugausfällen nicht der einzige dieses Tages bleiben. Es wird ihm einmal mehr klar, dass seine Branche (und womöglich noch so einige weitere) kurz vor einer Bruchlandung stehen, dies aber dennoch niemanden dauerhaft zu kümmern scheint. Weder «die da oben» in den Teppichetagen des Flughafens und des Bundes noch die Tausenden von Reisenden, die ihm tagtäglich vor den Gepäckwagen laufen. Doch gerade ist Mario derart müde vom Non-Stop-Stehen, Sortieren und Schleppen, dass er ein weiteres Kopfzerbrechen deswegen auf einen späteren Zeitpunkt vertagt… Gönnen auch wir Mario seine wohlverdiente Erholungszeit und lassen ihn darum in den nächsten paar Beiträgen noch einige weitere Gedanken zu Themen wie Arbeitsmarktplanung und Konsumentenverantwortung ausrollen (pun intended).

 

Bei JANZZ.technology sammeln wir im Rahmen einer Vielzahl von Projekten eine breite Auswahl von Arbeitsmarktinformationen, inklusive solche über Angebot und Nachfrage betreffend Arbeitskräfte. Dies tun wir nicht nur für die Region Schweiz, sondern unter anderem auch in Zusammenarbeit mit den öffentlichen Arbeitsverwaltungen (PES) von Ländern auf der ganzen Welt. Seit 2010 ermöglicht uns dies die Entwicklung marktführender evidenzbasierter Lösungen. Unsere Systeme sind nicht nur effizient, skalierbar und extrem leistungsfähig, sie stützen auch auf ein ontologiebasiertes, semantisches Matching. Darüber hinaus liefern alle unsere Tools unvoreingenommene Ergebnisse im Einklang mit den OECD-Grundsätzen für KI. Es ist uns ein Anliegen, eine faktenbasierte Diskussion anzuregen und das gesellschaftliche Bewusstsein für alle mit Arbeitsmärkten und -prozessen im Zusammenhang stehenden Bereiche zu schärfen. Wenn Sie mehr über unsere Dienstleistungen erfahren möchten, kontaktieren Sie uns bitte unter info@janzz.technology oder über unser Kontaktformular, oder besuchen Sie unsere PES-Produktseite.

Fear of the machine, rage against the machine? Die grosse Angst vor AI im Recruiting (und was man dagegen tun kann)

Eine neue Studie aus Deutschland zeigt, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz (AI) in Bewerbungsverfahren auf breite Ablehnung stösst und generell negative Emotionen bei potenziellen Bewerber:innen weckt. Zudem wurden von den Befragten zahlreiche Einwände erhoben. Dabei mögen die Furcht vor einprogrammiertem Bias oder einem liederlichen Umgang mit personenbezogenen Daten je nach Kontext durchaus ihre Berechtigung haben. Im Grundsatz wäre es aber dennoch möglich, viele der genannten Bedenken auszuräumen, wenn es vonseiten der Arbeitgebenden und Software-Anbietern mehr Bemühungen um Transparenz und Erklärbarkeit zum Einsatz von AI im Recruiting gäbe. Auch wären mehr vergleichende Untersuchungen zu der jeweiligen Performance von Mensch und Maschine in diesem Bereich zu begrüssen, um den offensichtlichen Groll auf AI im HR-Bereich zu dämpfen. Gerade auch weil der Einsatz von AI im Bewerbungsablauf unaufhaltbar sein wird, versuchen wir im Folgenden deshalb, die noch immer massive Black Box um solche Rekrutierungssysteme aufzubrechen und zu verdeutlichen, welche Voraussetzungen für einen erfolgreicheren Gebrauch von Algorithmen & Co erfüllt sein müssen.

Die Angst vor dem Unbekannten

Insgesamt assoziieren rund 65 % der Studienteilnehmenden Negatives mit der Vorstellung von AI im Recruiting. Auch wenn dies eine klare Mehrheit darstellt, ist es gleichwohl interessant, die einzelnen Hintergründe dieses Resultats zu erwägen. Ungefähr zwei Drittel aller Befragten zeigen nämlich kein Vertrauen in Entscheidungen, die innerhalb eines Anstellungsprozesses mittels AI getroffen werden. Als grösste Schwachstelle wird zudem der Faktor der Unpersönlichkeit bei einem automatisierten Verfahren genannt. Gleichzeitig nahm in der Vergangenheit aber nur eine geringe Minderheit (6,3 %) überhaupt den Kontakt mit AI im Recruiting wahr, obschon dieser bereits vielerorts eine Realität ist. [1]

 

Fakten und Zahlen direkt aus der Studie

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All diese Erkenntnisse weisen auf ein zentrales Problem hin: Solange keine Transparenz rund um das Thema künstliche Intelligenz im HR-Bereich herrscht, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, Stellensuchende und Arbeitnehmende von solchen Vorgängen zu überzeugen. Das schlechte Image von AI im Recruiting-Prozess besteht also vor allem auch aufgrund einer Angst vor dem Unbekannten, welche sich wiederum zweifältig äussert. Weder scheinen die Befragten genau zu wissen, wie AI-basierte Entscheide zustande kommen, noch, welche genauen Auswirkungen diese Entscheide auf den eigentlichen Bewerbungsablauf und ihre Anstellungschancen haben werden.

Der X-Faktor in AI

Es liegt sowohl an den Anbietern von Softwarelösungen als auch an den Arbeitgebenden, hier für mehr Aufklärung zu sorgen, sodass sich Kandidat:innen darüber im Klaren sein können, wo und wie künstliche Intelligenz im HR eingesetzt wird. Noch immer gibt es zahlreiche Rekrutierungstools auf dem Markt, deren auf maschinellem Lernen (ML) basierende Resultate von den Herstellern bei Bedarf weder ausreichend erklärt, repliziert, noch korrigiert werden können. Solche Black-Box-Vorgänge verunmöglichen den Bewerber:innen demzufolge auch eine echte Einwilligungsoption für die Erhebung, Verarbeitung, Speicherung und Löschung von personenbezogenen Daten, was ernsthafte rechtliche Probleme mit sich ziehen kann. Es wird also vielerorts sowohl den Auflagen der Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO), als auch dem AI-Grundsatz der Transparenz der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht entsprochen.

Eine Antwort auf diese Problematik liefert die sogenannte erklärbare künstliche Intelligenz, kurz XAI. Sie hat sich in den letzten Jahren als bewährter Ansatz zum Aufbrechen der Black Box um Systeme, die auf Deep Learning und künstlichen neuralen Netzen aufbauen, etabliert. Bei JANZZ.technology arbeiten wir seit geraumer Zeit mit solch erklärbaren Modellen und liefern dank deren Kombination mit ontologiebasiertem, semantischem Matching zahlreiche leistungsstarke Lösungen für alle Prozesse in den Bereichen HR und Arbeitsmarktmanagement.  Es ist uns ein grosses Anliegen, die Verständlichkeit unserer Dienstleistungen in den Vordergrund zu stellen und unsere Kund:innen mit dem nötigen Wissen über die Mechanismen und Vorgänge unserer Technologien auszustatten. Unser Matching-Tool JANZZsme! liefert beispielsweise nicht einfach einen simplen, wenig aussagenden Matching-Score zwischen Kandidat:in-Profil und Stellenausschreibung, sondern zerlegt sämtliche Kriterien in Teilaspekte wie Skills, Sprachkenntnisse oder Erfahrung, die allesamt ihren eigenen, einsehbaren Score haben und Resultate sowohl für Bewerbende als auch Arbeitgebende nachvollziehbar erklären.

Dem von einer Vielzahl der Befragten geäusserten Wunsch nach einer persönlichen Ansprechperson für Rückfragen während des Prozesses kann also zu einem Grossteil auch mittels erklärbarer Technologien und transparenter Auskunft darüber vonseiten der HR-Abteilungen nachgekommen werden. Der Erkenntnis, dass auf AI zurückgreifende Prozesse beim Bewerbungsverfahren als derart unpersönlich schlechtgeredet werden, sei vor allem zu entgegnen, dass endgültige Entscheidungen heute noch immer bei einem Recruiter liegen und dies auch in den kommenden Jahren so bleiben wird. Gemäss unserer Expertise und mehrjährigen Erfahrung gibt es nirgendwo ein vollends auf automatisiertes Anstellungsverfahren, das menschliches Einwirken komplette aus dem Prozess ausschliesst. Die Angst, dass man als Individuum während des Bewerbungsprozesses zu nichts als einer Zeichenkette aus Einsen und Nullen verkommt und das eigene Softskill-Profil völlig unberücksichtigt bleibt, ist demzufolge zwar verständlich, aber unbegründet.

Der Vergleich: Mensch versus Maschine

Es stellt sich eigentlich insgesamt die Frage, weshalb bei den Befragten der Studie solch ein Verlangen nach menschlichem Einfluss in das Rekrutierungsverfahren zu beobachten ist, wenn paradoxerweise die Hälfte von ihnen angibt, die Einbettung menschlicher Vorurteile bei der Programmierung von AI zu befürchten. [1] Die wenigen aussagekräftigen vergleichenden Studien zu den Performances von Mensch und Maschine deuten überdies auch keineswegs darauf hin, dass ersterer in Bewerbungsprozessen bessere Entscheidungen trifft. Ein weiterer Vorteil von XAI im Recruiting-Bereich ist deshalb ferner, dass wir uns inzwischen ein besseres Bild von der tatsächlichen Leistung automatisierter Vorgänge machen und diese Resultate mit denjenigen von manuellen Prozessen quantitativ vergleichen können.

Lassen Sie uns also ein kurzes Beispiel aus einem unserer eigenen Use-Cases skizzieren. Der Auftrag war, dass wir für eine internationale Organisation einen komparativen POC durchführen, bei welchem die vielversprechendsten Kandidat:innen für deren äusserst begehrte Juniorpositionen gefunden werden sollten. Zum Vergleich wurde die Auswahl auch von den erfahrenen HR-Managern getätigt, welche diesen Prozess üblicherweise jedes Jahr «manuell» während einer mehrwöchigen Zeitspanne ausführen. Die Parameter, auf welche beim Vergleich der Resultate besonders geachtet werden sollte, betraf die Vermeidung von Bias, das Erzielen von möglichst hoher Effizienz und selbstverständlich das Finden der am besten geeigneten Kandidat:innen.

Das Ergebnis dürfte eine Mehrheit der Teilnehmenden aus der eingangs beschriebenen Studie erstaunen: Nicht nur war die Verarbeitungszeit mittels unserer APIs, Matching-Tools und Parser auf einen Bruchteil jener des manuellen Prozesses reduziert (3 Tage vs. 12–14 Wochen), wobei Schnelligkeit in der Studie übrigens das am dritthäufigsten genannte Kriterium für eine angenehme Candidate Experience war. [1] Auch war bei der XAI-basierten Entscheidungsfindung von JANZZ keinerlei Bias festzustellen, während die Wahl der HR-Managern massive Verzerrungen bei den Variablen Herkunft, Gender und Sprache aufwies – nicht weiter erstaunlich, wenn man sich die unzähligen Formen von (unbewussten) Vorurteilen vor Augen hält, die den manuellen Anstellungsprozess prägen. Zwar bedeutete unser replizierbare, auf bindenden Kriterien basierende Prozess, dass wirklich die objektiv besten Kandidat:innen ausgesucht wurden und diese nicht immer automatisch auch spezielle Erwartungen bezüglich Diversity und Inclusion erfüllten. Aber selbst solche Anforderungen sind auf Wunsch skalierbar und können dann regelbasiert und konsequent eingesetzt werden, sofern dieser Entscheid den Bewerber:innen wiederum transparent mitgeteilt wird. Interessanterweise sahen in der Studie gerade mal 14 % einen der Hauptvorteile von XAI-basiertem Matching [1]. Nämlich, dass damit einfacher und zuverlässiger ein Job gefunden werden kann, der tatsächlich zu den eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Ausbildung passt. Bei unserer eigenen Technologie stützen wir uns zu diesem Zwecke auf multilinguales, semantisches Matching, welches eine variable Lösung für das allgemeine Problem der heterogenen Vielfalt an Wissen, Terminologien und Informationen in CVs und Stellenanzeigen bietet und den Matching-Prozess deshalb um ein x-Faches leistungsfähiger macht.

 

Fakten und Zahlen aus dem JANZZ-POC

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Insgesamt weist unser Vergleich eindeutig klare Ergebnisse zugunsten von AI auf. Um die bestehenden Ängste vieler potenzieller Arbeitnehmenden abzubauen, wäre es zweifellos nutzbringend, wenn Evaluationen wie die unsere in breiterem und regelmässigerem Masse gemacht würden. Dennoch lässt sich daraus bereits folgender Schluss ableiten: In Bezug auf Voreingenommenheit beim Bewerbungsprozess performt mit Deep Learning und einem Knowledge-Rich-System angereicherte AI definitiv nicht schlechter als der Mensch (siehe auch Verweis letzter Abschnitt). Ganz im Gegenteil, sie bringt sogar potenzielle Vorteile wie Geschwindigkeit und vor allem Objektivität mit sich. Der Einsatz von AI im HR-Bereich ist überdies bereits auf unaufhaltbarem Vormarsch. Sieht denn irgendjemand eine Alternative, mit der die stetig wachsende Partizipationsrate und Bewegung auf dem Arbeitsmarkt bewältigt werden sollen? Aufgrund all dieser Tatsachen halten wir uns bei JANZZ.technology an den Grundsatz «Keine künstliche Intelligenz ohne menschliche Intelligenz». XAI-basierte Systeme bieten unabdingbare Hilfe bei im manuellen Rekrutierungsverfahren mühseligen und kostspieligen Vorprozessen und erlauben es menschlichen Personalverantwortlichen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren; auf das Finden der Top-Kandidat:innen.

 

Die Möglichkeiten von AI für den HR-Bereich gehen weit über den Anstellungsprozess hinaus, da sie zum Beispiel auch ausgezeichnet im strategischen Workforce Planning eines Unternehmens eingesetzt werden kann. Falls Sie gerne mehr über unser breites Angebot erfahren oder Auskunft darüber erhalten möchten, was JANZZ.technology für Ihr spezifisches Anliegen tun kann, kontaktieren Sie uns bitte unter info@janzz.technology oder via Kontaktformular, oder besuchen Sie unsere Produktseite für einen Überblick über all unsere Lösungen. Ausserdem laden wir Sie herzlich dazu ein, in unseren Podcast reinzuhören, in welchem wir Wissenswertes rund ums Thema erläutern – in der aktuellen Folge beispielsweise gerade zum Unterschied zwischen Systemen, die «knowledge-lean» bzw. «knowledge-rich» sind.

 

[1] IU Internationale Hochschule. 2022. KI im Recruiting: Emotionen, Ansichten, Erwartungen. Der Einfluss von künstlicher Intelligenz auf die Candidate Experience. URL: https://www.iu.de/forschung/studien/ki-im-recruiting-studie/

Jetzt aber mal ganz ehrlich: Der Schweizer Arbeitsmarkt steht vor weitaus dringenderen Problemen als dem Mangel an hochqualifizierten Fachkräften

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Der hiesige Arbeitsmarkt steuert auf eine Notstandslage zu. So wie sie steht können wir dieser kürzlichen Aussage von Boris Zürcher, Leiter der Direktion Arbeit beim Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), eigentlich nur beipflichten. Unsere jahrelange Erfahrung und Expertise im Umgang mit HR-, Recruiting- und Arbeitsmarktdaten weltweit deutet durchaus auf derartige Tendenzen hin. Wenn es jedoch um den Hauptgegenstand jener Notlage geht, so sehen wir die Situation anders als der oberste Arbeitsmarktchef des Bundes. Oder, dreist formuliert, vielleicht etwas weitsichtiger. Im Hinblick auf seine in wenigen Jahren anstehende Pensionierung hätten wir uns gefreut, wenn Zürcher im Watson-Interview die Chance ergriffen hätte und in seiner Darstellung des Stellenmarkts und dessen Beeinflussung durch die Pandemie mal ein wenig deutlicher geworden wäre. Anders als die Schlagzeile vermuten lässt, wird aber mehrheitlich in dasselbe alte Horn geblasen und die prognostizierte chronische Knappheit an spezialisierten und hochqualifizierten Fachkräften in Bereichen wie Technik, Ingenieurwesen oder Management als grösste Herausforderung für den Schweizer Arbeitsmarkt bemängelt. Demgegenüber wird zwar zaghaft Bezug auf den Umstand genommen, dass wir uns (wie übrigens vielerorts) immer mehr weg von einem «Arbeitgebermarkt» hin zu einem «Arbeitnehmermarkt» bewegen und es somit insgesamt ein Überangebot an Stellen und einen Mangel an Arbeitskräften geben wird. Die sich aus alledem ergebenden Folgen für Personen mit einer Berufslehre und für eher geringqualifizierte Arbeitnehmende werden im Interview aber mittels schwammiger Phrasen wie «alles ist immer in Bewegung» eher verundeutlicht. Fast schon kommt einem der Gedanke, dass es an offizieller Stelle niemanden so richtig zu interessieren scheint…

Bei JANZZ.technology sehen wir uns deshalb dazu verpflichtet, gestützt auf eigene Analysen und Beobachtungen ein paar ergänzende Angaben zum angekündigten «Notstand» auf dem Arbeitsmarkt in der Schweiz und in zahlreichen anderen Ländern zu geben. Falls Sie selbst ein politisches Amt innehaben oder Mitglied der öffentlichen Verwaltung sind und ein tatsächliches Interesse an einem Kurswechsel und einer nachhaltigen Verbesserung der aktuellen Arbeitsmarktsituation hegen, legen wir Ihnen das Lesen dieses Beitrags speziell ans Herzen. Gerne dürfen Sie auch jederzeit auf uns zukommen. Lassen Sie uns endlich Klartext darüber reden, in welchen Bereichen sich die Bedarfslage tatsächlich immer mehr zuspitzt, weshalb insbesondere im Zusammenhang mit der omnipräsenten Thematik «Digitalisierung» Massnahmen ergriffen werden sollten und ein Fokus auf den Mangel an studierten Fachkräften deshalb zu kurz greift.

Mehr Stellen als Arbeitskräfte – trotz laufender Digitalisierung

Ein Wort, das punkto Arbeitsmärkte momentan in aller Munde ist, ist die sogenannte «Great Resignation». Der Begriff bezeichnet einen pandemiebedingten Anstieg in freiwilligen Kündigungen seit dem Frühjahr 2021. Daraus folgende Begleiterscheinungen sind viele Neueinstiege in andere Berufe, beziehungsweise die Nicht-Rückkehr in vorherige Stellen, insbesondere solche im Niedriglohnsegment. Dabei sind nicht nur die tatsächlichen Ausprägungen und angeblichen Beweggründe – wie plötzliche Eingebungen zur Eigenverwirklichung in irgendwelchen Self-Made-Projekten – dieses Geschehnisses stark umstritten. Es wird bei der «Great Resignation» zusätzlich auch nur eine Momentaufnahme von knapp drei Jahren angeschaut, von der es schwierig ist, langfristige Folgen und Entwicklungen abzuleiten. Prognosen über nun angeblich nachhaltig gestärkten Verhandlungspositionen der Arbeitnehmenden – beispielsweise im Gastrogewerbe – sind somit mit Vorsicht zu geniessen und weiter zu differenzieren.

Für eine aussagekräftigere Analyse ist eine langfristige Betrachtung der Situation notwendig, welche es erlaubt, zwischen Rauschen und Signal zu unterscheiden. Zudem sollte die Anzahl an Kündigungen in Relation zu den Anzahlen an Einstellungen und offenen Stellen in einer Zeitreihe systematisch verglichen werden. Sodann stellt sich heraus, dass der «kürzliche Trend» zu einer steigenden Austrittsquote keineswegs derart dramatisch ist, wie er vielerorts gezeichnet wird und noch dazu die teilweise Fortsetzung eines bereits vor der Pandemie erkennbaren Musters darstellt: Da sich der Arbeitgebermarkt in vielen Ländern immer mehr zu einem Arbeitnehmermarkt wandelt, wird es fast in allen Bereichen immer mehr Arbeit für zu wenige Arbeitnehmende und dadurch tendenziell mehr Entscheidungsfreiheit bei der Stellenwahl geben. Einleuchtend also, dass bei der «Great Resignation» (sowie der Zeit davor und danach) insbesondere Tieflohnbranchen wie Einzelhandel oder das Gastgewerbe von hohen Kündigungsraten betroffen sind. Die ansteigende Arbeitskräfteknappheit dürfte sich dabei also wirklich nicht nur in nie dagewesener Weise auf das Wachstum auswirken. Der miteinhergehende Arbeitsmarktwandel ist in seiner Art einzigartig und wird langfristig vermutlich tatsächlich auch mit der «traditionellen» Powerdynamik zwischen Arbeitgeber und -nehmer brechen, welche sich seit der Industrialisierung eingespielt hat. Aus dem insgesamten Überbedarf an Arbeitskräften erklärt sich mitunter ebenfalls, weshalb sich die Schweizer Arbeitslosenquote dermassen schnell erholt hat und sich inzwischen wieder auf präpandemischem Niveau befindet. Dies wiederum führt vor Augen, dass bei allgemeinen Aussagen über den Arbeitsmarkt mehr als ein Indikator in Betracht gezogen werden muss und die Arbeitslosenquote dabei eine Kennzahl unter vielen ist.

Verantwortlich für diesen prognostizierten Überbedarf macht das SECO unter anderem die miteinander einhergehenden rückläufige Geburtenrate und baldige Verrentung der Babyboomer-Generation, sowie einen allgemeinen Trend zur Tertiärisierung, was begleitet wird vom permanenten Strukturwandel der Wirtschaft aufgrund der Digitalisierung. [1] So weit, so richtig. Dass letztgenannte Entwicklung aber wie behauptet jährlich fast ausschliesslich im Bereich der hochqualifizierten Fachkräfte tausende neu zu besetzende Stellen schafft, stimmt so nicht. Zahlreiche Statistiken bekannter Institutionen wie der ILO oder der World Bank zeigen auf, dass insbesondere im von der Digitalisierung geprägten Tech-Bereich für alle neu generierten Stelle mit Hochqualifizierungsprofil auch eine Vielzahl an geringqualifizierten Jobs entstehen. Wenn man sich den enormen Wartungs-, Service- und Transportaufwand von modernen Technologien vor Augen führt, ist dies eigentlich auch wenig erstaunlich, oder? Die Theorie kennt diesen Effekt, bei welchem aufgrund von Auslagerung und Automatisierung Arbeitsplätze mit mittlerem Qualifikationsniveau im Verhältnis zu den Arbeitsplätzen mit geringem beziehungsweise hohem Qualifikationslevel zu verschwinden scheinen, als sogenannte «Job Polarization». [2] Darüber hinaus wird die Digitalisierung von den meisten Prozessen irgendwann mehr oder weniger erreicht sein. Wenn dann das Schaffen neuer Technologien nicht mehr im gleichen Tempo voranschreitet, wird die Wartung und Beförderung des dazugehörigen Equipments aber nicht zu einem Ende kommen und stets viele (niedrigqualifizierte) Arbeitskräfte erfordern.

Fachkräftemangel und Berufssterben – trotz wachsender Nachfrage

Eine weitere Thematik die den Arbeitsmarkt momentan bewegt ist die hohe Dynamik der Erwerbstätigen. Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Zum einen gibt es sicherlich den einen oder anderen Branchenwechsel. Bei Arbeitnehmenden mit «unliebsamen» Berufen in Branchen wie dem Baugewerbe kommt es auch häufig vor, dass diese sich – sofern es die finanziellen Mittel erlauben – weiterbilden und in höher-qualifizierte, «komfortablere» Kaderpositionen wechseln. Dies zieht jedoch Probleme mit sich, die bereits jetzt bemerkbar sind und sich in den folgenden Jahren exponentiell vermehren werden: Es entsteht oder vielmehr besteht bereits ein Fachkräftemangel. Anders als in den von offizieller Seite so oft lamentierten Bereichen (hochqualifizierte Fachkräfte im Ingenieur-, Gesundheits- oder Rechtswesen, usw.) ist es hier aber manchmal derart schwierig, die Stellen (wieder) zu besetzen, dass Berufe regelrecht «auszusterben» drohen.

Ein Beispiel für solch wachsende Knappheit an «klassischen» Berufsbildungsarbeitskräften wurde kürzlich im Tagesanzeiger thematisiert. Fünf Jahre nach der Annahme des revidierten Energiegesetzes fehlen nun Handwerker in den Fachbereichen Heizung und Fotovoltaik für die Installation von Wärmepumpen und Solaranlagen zur Umsetzung der geplanten Strategie. Bis 2030 wird sich der Mangel auf mehrere Tausend Vollzeitstellen belaufen. Hinzu kommt, dass bereits bei der Produktion der Anlagen mit groben Engpässen und Verzögerungen gekämpft wird – teils wiederum aufgrund von Personalmängeln. Man müsste meinen, dass einige dieser Probleme mit ein wenig Voraussicht vermeidbar gewesen wären. Leider wurde bei der Planung aber vor allem diskutiert und angekündigt, alles während Energieministerin Simonetta Sommaruga gleichzeitig «von der Branche [erwartete] dass sie vorwärts macht».

Doch ist dies bei Weitem nicht der einzige Bereich, welcher obschon grosse Nachfrage besteht Schwierigkeiten hat, genügend Fachkräfte mit einem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis oder ähnlicher Ausbildung zu finden, die den Job längerfristig machen wollen und können. In den Handwerks- und Pflegebranchen weisen zahlreiche Berufsgruppen unterdurchschnittliche Arbeitslosenraten und dennoch eine hohe Anzahl an ausgeschriebenen Stellen auf. Man merke auch hierbei wieder, dass die Arbeitslosigkeit nur ein Indikator unter vielen ist und allein noch nicht viel über den tatsächlichen Zustand des Arbeitsmarkts auszusagen vermag. Da kann man sich beim SECO noch so über die für den Sommer 2022 prognostizierte Schweizer Arbeitslosenquote um die 2 Prozent (vor)freuen, wenn sich dann trotzdem niemand finden lässt, der einem das vom Junigewitter-Hagel beschädigte Dach reparieren will – oder kann. Gewisse Gewerbe in der Facharbeit werden aufgrund der permanenten Knappheit nämlich schon richtig mit Aufträgen überflutet, was im Endeffekt mehr als unangenehm für uns alle werden wird.

Trotz aller Warnsignale werden statt Berufslehren jedoch weiterhin die Steigerung der Matura- und Fachhochschulabschlussquoten angestrebt. Vonseiten der Politik werden Angleichungen an OSZE-Standards gepusht und in den nächsten zehn Jahren Abschlussquotensteigerungen bis +17% (Matura) bzw. +20% (Hochschulebene) prognostiziert, während die Zahl der beruflichen Grundbildungsabschlüssen (EFZ und EBA) derzeit eine negative Tendenz (-3%) aufweist [3]. Noch dazu werden inzwischen für viele Spezialisierungen und Weiterbildungen eine BMS vorausgesetzt, was wiederum (motivierte) Personen vom Erlernen eines mitunter gefragten Berufes ausschliesst. Diese Über-Akademisierung wird ebenfalls durch Unternehmen gefördert, welche für jede 08/15-Büroposition einen Hochschulabschluss verlangen, obwohl die Stelle eigentlich auch problemlos beispielsweise mit KV-Abgänger*innen besetzt werden könnte (lesen Sie hierzu auch unseren Artikel über den aktuellen Überqualifizierungs-Trend vielerorts). Auch scheinen sich gewisse Unternehmungen bezüglich der Weiterbildung und Förderung ihrer Angestellten in Zurückhaltung zu üben, was es erschwert, diese längerfristig in der Firma oder Branche zu halten. Lieber werden diese Bildungskosten eingespart und Talente anderorts – teils aus den Nachbarländern – abgeworben.

Massnahmen – der Dringlichkeit wegen

Die Gründe für den tiefen Beliebtheitsgrad gewisser Berufslehren, der sich dann direkt im beschriebenen Fachkräftemangel äussert, sind selbstverständlich mannigfach. Nachtschichten, Bereitschaftsdienste, tiefe Löhne oder (ohne Weiterbildung) wenig Aufstiegspotenzial machen gewisse Jobs klar unattraktiver und müssen soweit möglich vonseiten der Unternehmen angegangen werden. Zum Beispiel, indem durch die Möglichkeit von Pensumsreduktionen oder interner Schulungen eine Weiterbildungskultur gefördert wird, sodass das nötige Fachpersonal nicht extern «eingekauft» werden muss.

Zu einer Verbesserung der aktuellen Lage gehört aber zwingendermassen auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Fachkräftemangel im Berufsbildungsbereich und dessen strukturellen Ursachen. Auch wenn man aus volkswirtschaftlicher Sicht noch beipflichten mag, dass es «nicht die Aufgabe des Staates [ist] dafür zu sorgen, dass die Unternehmen immer genügend Arbeitskräfte haben», heisst das nicht, dass an offizieller Stelle gewisse Informationen weniger Gewicht haben sollten als andere. [1] Eine ehrliche Kommunikation zum Zustand der nationalen Bildungs- und Arbeitsmärkte könnte hier der Anfang sein.

Ebenfalls angebracht wäre es, dass sich Politik und Bundesverwaltung mehr für eine allgemeine Aufwertung der Berufsbildner*innen einsetzen. Dies umfasst auch, den Ausbildungsweg der Berufslehre vorteilhafter zur Sprache zu bringen und sichtbarer zu machen. Das ständige mediale Feiern von steigenden Maturaquoten und Uniabschlüssen nützt nicht nur den jungen Menschen nichts, denen der Zugang zu diesen Institutionen aus finanziellen oder anderen Gründen verwehrt wird. Es vermittelt den Uniabgänger*innen mitunter auch ein trügerisches Bild zur Jobsituation nach Abschluss des langersehnten Wunschstudiums. Der Nationalrat hat den Bundesrat Anfang März in einem Postulat damit beauftragt, aufgrund des Fachkräftemangels Möglichkeiten auszuarbeiten, die das Aus- und Weiterbildungsangebot besser auf den Arbeitsmarkt abstimmen. Noch einmal fürs Protokoll: Bevor jetzt weitere Vorstösse gemacht werden, die in einem Schwall von leeren Worten untergehen, zu Papiertigern werden oder die Über-Akademisierung noch weiter vorantreiben, raten wir allen Entscheidungsträger*innen, sich erst ausgiebig mit den Fakten und Tatsachen zur hiesigen Arbeitsmarktsituation auseinanderzusetzen. Falls es hilfreich sein sollte, kann als Anregung auch gerne dieser Artikel ein zweites Mal gelesen werden. Es ist an der Zeit, dass wir einen produktiveren Weg einschlagen, als wir ihn bisher gegangen sind.

Bei JANZZ.technology sammeln wir im Rahmen einer Vielzahl von Projekten eine breite Palette von Arbeitsmarktinformationen, unter anderem in Zusammenarbeit mit den öffentlichen Arbeitsverwaltungen (PES) von Ländern auf der ganzen Welt. Dies ermöglicht uns seit 2010 die Entwicklung marktführender evidenzbasierter Lösungen. Unsere Systeme sind nicht nur effizient, skalierbar und extrem leistungsfähig, sie stützen auch auf ein ontologiebasiertes, semantisches Matching. Darüber hinaus liefern alle unsere Tools unvoreingenommene Ergebnisse im Einklang mit den OECD-Grundsätzen für KI. Es ist uns ein Anliegen, eine faktenbasierte Diskussion anzuregen und das gesellschaftliche Bewusstsein für alle mit Arbeitsmärkten und -prozessen im Zusammenhang stehenden Bereiche zu schärfen. Wenn Sie mehr über unsere Dienstleistungen erfahren möchten, kontaktieren Sie uns bitte unter info@janzz.technology oder über unser Kontaktformular, oder besuchen Sie unsere PES-Produktseite.

[1] Vuichard, Florence. 2022. Bald fehlen mehr als nur die Fachkräfte: «Wir nähern uns einer Knappheit!» URL: https://www.watson.ch/wirtschaft/schweiz/848911290-bald-fehlen-mehr-als-nur-die-fachkraefte-naehern-uns-einer-knappheit
[2] ILO. 2018. The impact of technology on the quality and quantity of jobs. https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/—cabinet/documents/publication/wcms_618168.pdf
[3] BFS. 2021. Szenarien 2020-2029 für das Bildungssystem. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/szenarien-bildungssystem.html

Beim Einsatz von KI im HR-Bereich steht die Uhr auf fünf nach Zwölf


Es gibt zahlreiche Verfassungsartikel, Gesetze, Verordnungen und Regulierungen, nach denen Unternehmen ihre täglichen Aktivitäten richten müssen. Und die Anzahl dieser rechtlichen Grundlagen nimmt stetig zu. Ein relativ neuer Rechtsakt in Europa ist die 2016 verabschiedete Datenschutz-Grundverordnung der EU, kurz DSGVO. Das Ziel dieser länderübergreifenden Verordnung ist es, die Erhebung, Verarbeitung, Speicherung und Löschung personenbezogener Daten durch private und öffentliche Verantwortliche vereinheitlicht zu regeln. Während einer Übergangsfrist von zwei Jahren, welche im Mai 2018 abgelaufen ist,  » Lesen Sie mehr über: Beim Einsatz von KI im HR-Bereich steht die Uhr auf fünf nach Zwölf  »

‚So clever I don’t understand a word of what I am saying‘ – Das Potenzial der KI im Umgang mit textbasierten Daten ist bei weitem nicht grenzenlos

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Die oft geäusserte Angst, dass KI-Roboter kurz davor sind, in jeden Bereich unseres Lebens einzudringen und die Kontrolle zu übernehmen, ist zugegebenermassen verständlich, wenn man bedenkt, welche Fähigkeiten der KI bereits heute nachgesagt werden: Gastbeiträge für Zeitungen, Kundendienstanfragen bearbeiten, medizinische Diagnosen stellen, langjährige Fragestellungen der Biologiewissenschaften beantworten und vieles mehr – will man den Quellen Glauben schenken [1], [2]. Aber sind diese vermeintlichen Erfolge tatsächlich ein Beweis für unbegrenztes Potenzial? Werden KI-Systeme wirklich in der Lage sein, jede Aufgabe zu lösen, wenn sie nur genügend Zeit und Daten haben? Sie wollen das vielleicht nicht hören, aber die Antwort ist ein ganz klares NEIN. Zumindest nicht, wenn Forschung und Entwicklung an den rein datenbasierten Ansätzen festhalten, auf die sie derzeit so fixiert sind.

Zunächst einmal ist die künstliche Intelligenz nicht im Entferntesten mit menschlicher Intelligenz vergleichbar. Jedes KI-System ist eine ausgeklügelte Trickkiste, die uns Menschen vorgaukeln soll, dass das System die vorgelegte Aufgabe irgendwie versteht. Um also KI-Technologien zu entwickeln, die in irgendeinem Sinne intelligent sind, führt kein Weg daran vorbei, diese Technologien mit umfangreichem menschlichem Wissen zu füttern – was ein erhebliches Mass an menschlicher Arbeit erfordert und in absehbarer Zukunft auch erfordern wird. Infolgedessen – und auch das werden Sie womöglich nicht hören wollen – ist es eine schlicht eine Fehlinvestition, sich auf Softwarelösungen im HR- und Arbeitsmarktmanagement zu verlassen, die ausschliesslich auf Deep Learning (DL) oder anderen statistischen/Machine-Learning (ML) Ansätzen basieren. Und es ist nicht nur eine Geldverschwendung, sondern auch eine Frage der Ethik: Gerade im HR-Bereich ist die Verlässlichkeit von Daten und Auswertungen von entscheidender Bedeutung, da sie das Leben realer Menschen nachhaltig beeinflussen können. Allzu oft werden beispielsweise durchaus geeignete Kandidaten von KI-basierten Systemen wie ATS aussortiert, nur weil ihr Lebenslauf nicht exakt die im Filter angegebenen Schlüsselwörter enthält oder diese mit ‘falschen’ Zusammenhängen verbunden werden. Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie echte Menschen von unzulänglicher KI betroffen sein können.

Künstlich – im Sinne von «fake»

Während Forscher KI-Systeme als solche definieren, die ihr Umfeld wahrnehmen und Massnahmen ergreifen, um die Chancen auf das Erreichen ihrer Ziele maximieren, ist die populäre Vorstellung von KI, dass sie sich der menschlichen Kognition annähern soll. Intelligenz wird in der Regel als die Fähigkeit definiert, zu lernen, zu verstehen und Urteile zu fällen oder Meinungen zu bilden, die auf Vernunft basieren, oder mit neuen oder schwierigen Situationen umzugehen. Die erfordert allerdings eine kognitive Schlüsselfähigkeit: das Speichern und Anwenden von sogenanntem Weltwissen (commonsense knowledge), also allgemeines Wissen, Kenntnisse und Erfahrungen über Umwelt und Gesellschaft. Wir Menschen eignen uns Weltwissen durch eine Kombination aus Lernen und Erfahrungen an. KI-Systeme sind hierzu bis jetzt schlicht nicht in der Lage und werden es in absehbarer Zeit auch nicht sein. Am deutlichsten werden diese Einschränkungen bei Methoden der Computerlinguistik zu NLP (natural language processing) und NLU (natural language understanding), die auf ML basieren. Denn Weltwissen ist absolut unerlässlich für das Verständnis natürlicher Sprache. Betrachten wir als Beispiel die folgende Aussage:

Charlie hat den Bus gegen einen Baum gefahren.

Nirgends in diesem Satz steht ausdrücklich, dass Charlie ein Mensch ist, dass dieser Mensch im Bus sass oder dass dies ein ungewöhnliches Verhalten ist. Und doch können wir dank unserem Alltagswissen ohne grosse Mühe diese und viele andere Schlussfolgerungen aus diesem einfachen Satz ziehen. Diese vom Linguisten Noam Chomsky als «Sprachkompetenz» bezeichnete Fähigkeit unterscheidet auf NLP und NLU trainierte Computersysteme grundlegend von der menschlichen Kognition. Während wir Menschen diese Sprachkompetenz bereits in jungen Jahren erwerben und dank dieser die Bedeutung beliebiger sprachlicher Ausdrücke erkennen können, werden rein datenbasierte KI-Modelle dies nie in gleichem Masse schaffen, da sie auf rein quantitativer Basis arbeiten: Ihre «Intelligenz» basiert auf statistischen Annäherungen und (teils sinnlosem) Auswendiglernen textbasierter Daten. ML_Systeme können zwar das Problem des Verstehens bisweilen umgehen und den Eindruck erwecken, dass sie sich intelligent verhalten – vorausgesetzt, sie werden mit genügend Daten gefüttert und die Aufgabe ist ausreichend eingegrenzt. Aber sie werden die Bedeutung von Wörtern nie wirklich verstehen; dazu fehlt ihnen schlicht die Verbindung zwischen Form (Sprache) und Inhalt (Bezug zur realen Welt) [1].

Genau deshalb kämpfen selbst die fortschrittlichsten KI-Modelle immer noch mit dieser Art von Aussagen: weil sie so viele implizite, oft wichtige Informationen und Kausalitäten beinhalten. So war beispielsweise GPT-3, ein hochmodernes KI-basiertes Sprachmodell (das den eingangs zitierten Zeitungsartikel verfasst hat), nicht in der Lage, die einfache Frage, ob ein Toaster oder ein Bleistift schwerer ist, korrekt zu beantworten [1]. Dies erinnert ein wenig an ein Zitat aus Oscar Wildes Die vornehme Rakete: „I am so clever that sometimes I don’t understand a single word of what I am saying“…

Ein Hauptgrund für diese Problematik liegt darin, dass Weltwissen eine kaum vorstellbare Anzahl von Fakten darüber enthält, wie unsere Welt funktioniert. Wir Menschen haben diese Fakten durch gelebte Erfahrung verinnerlicht und können sie beim Ausdrücken und Verstehen von Sprache einsetzen, ohne diese erstaunliche Fülle an Wissen je in schriftlicher Form festhalten zu müssen. Und gerade weil dieses implizite Wissen nicht systematisch erfasst wird, haben KI-Systeme keinen Zugang dazu – zumindest rein datenbasierte KI-Systeme nicht, Systeme also, die ausschliesslich auf statistischen/ML-Ansätzen basieren. Diese Systeme stehen vor unüberwindbaren Herausforderungen in Bezug auf Sprachverständnis. Denn sie ist «unerwartet».

Ein weiteres einfaches Beispiel: Bei einer statistischen Analyse von Wörtern, die mit dem englischen Wort pen (dt. Stift) verbunden sind, spuckt ein ML-System unter Umständen die Wörter Chirac und Jospin aus, weil diese Namen oft zusammen mit der französischen Politikerin Marie Le Pen genannt werden, welche natürlich nichts mit Schreibgeräten zu tun hat. Noch komplizierter wird es, wenn ein und derselbe Ausdruck je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen annimmt – zum Beispiel das Schloss. Rein auf ML basierende Systeme haben oft grosse Schwierigkeiten, die Nuancen solcher Alltagssprache zu erkennen, weil sie die Bedeutungen eines Wortes nicht speichern: die Verbindungen beruhen lediglich auf Koinzidenz, also gleichzeitiges Auftreten. In der rein datenbasierten Welt ist es also noch ein weiter Weg bis zur zuverlässigen NLU.

Keine KI ohne MI

Seit den 1950ern gibt es KI, und sie hat immer wieder Phasen des Hypes und der Desillusionierung durchlaufen. Derzeit befinden wir uns, zumindest in der Unterdisziplin NLU, wieder in der «Talsohle der Ernüchterung», wie Gartner es so treffend formuliert hat. Nichtsdestotrotz klammern sich viele noch an die grossen Versprechungen und veröffentlichen, preisen und investieren munter in rein datenbasierte KI-Technologien. Sich bei Anwendungen, die Sprachverständnis erfordern, vollständig auf ML-basierte Algorithmen zu verlassen, ist jedoch nichts als ein teurer Fehler. Wie wir bereits erläutert haben, ist es ein grosser Sprung von der automatisierten Verarbeitung von Textdaten (NLP) zum sinnvollen, menschenähnlichen Verstehen (NLU) dieser Information durch Maschinen. Daher werden viele Automatisierungspläne eine Illusion bleiben. Es ist höchste Zeit, auf ein Strategie umzusteigen, die diese anspruchsvollen Aufgaben erfolgreich bewältigen kann, indem sie künstliche Intelligenz effektiv durch menschliche Intelligenz erzeugt.

In unserem Kompetenzbereich hier bei JANZZ, dem (Re-)Strukturieren und Matching berufsbezogener Daten, wissen wir, dass viele automatisierte Aufgaben in Big Data ein erhebliches Mass an menschlicher Arbeit und Intelligenz erfordern. Unser Tool zum Parsen von Stellenanzeigen und Lebensläufen, JANZZparser!, seit jeher auf NLP und NLU – allerdings immer in Kombination mit menschlichem Input: Unsere Datenanalysten und Ontologie-Kuratoren trainieren sorgfältig und kontinuierlich die sprachspezifischen Deep-Learning-Modelle und passen sie immer wieder an. NLP-Aufgaben werden mit unserem hauseigenen, handverlesenen Korpus an Goldstandard-Trainingsdaten trainiert. Die geparsten Informationen werden standardisiert und kontextualisiert mithilfe unserer handkuratierten Ontologie JANZZon!, der weltweit umfassendsten mehrsprachigen Wissensdarstellung für berufsbezogene Daten. Diese maschinenlesbare Wissensbasis enthält Millionen von Konzepten wie Berufe, Skills, Spezialisierungen, Ausbildungen und Erfahrungen, die von unseren domänespezialisierten Kurator*innen entsprechend ihrer gegenseitigen Relationen manuell verknüpft werden. JANZZon! integriert sowohl datengestütztes Wissen aus echten Stellenanzeigen und Lebensläufen als auch Experteninformationen aus internationalen Taxonomien wie ESCO oder O*Net. Nur so können unsere Technologien ein Sprachverständnis entwickeln, das den Namen künstliche Intelligenz tatsächlich verdient. Generische Ausdrücke wie Flexibilität werden in den entsprechenden Kontext gesetzt, sei es im Sinne von Zeitmanagement, Denken, oder anderen Aspekten. Damit werden falsche Matches aufgrund von Überschneidungen im Wortlaut, aber nicht im Inhalt, wie etwa Research and Ontology Management Specialist mit Berufen wie in der untenstehenden Abbildung, in unseren wissensbasierten Systemen von den Matching-Ergebnissen ausgeschlossen. Durch die einzigartige Kombination von Technologie und menschlicher Intelligenz in maschinenlesbarer Form können bei der Verarbeitung berufsbezogener Daten äusserst genaue, zuverlässige und sprach- und kulturübergreifende Ergebnisse erzielt werden. Fehler wie im Beispiel mit dem Stift treten schlicht nicht auf, weil jeder Ausdruck konzeptionell mit den richtigen und relevanten Bedeutungen und Assoziationspunkten verknüpft ist.

Gutes Geld schlechtem hinterherwerfen

Dass wir mit unserer hybriden, wissensbasierten Methode, menschliche Intelligenz mit modernsten ML/DL-Methoden zu kombinieren, auf dem richtigen Weg sind, bestätigen nicht nur unsere eigenen Erfahrungen und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Unternehmen und öffentlichen Arbeitsverwaltungen (PES) weltweit, sondern wird auch von – nicht kommerziell-orientierten – NLU-Forschern allgemein anerkannt. Die skizzierten Probleme rund um die fehlende kognitive Komponente in rein datenbasierten KI-Systemen werden in den nächsten 50 Jahren nicht verschwinden. Sobald menschliche Sprache im Spiel ist, wird es immer unzählige Fälle geben, in denen ein dreijähriges Kind die richtige semantische Verbindung herstellen kann, während ein maschinell-gelerntes Tool entweder versagt oder dies nur mit absurd hohem Aufwand schafft. Obwohl wissensbasierte Systeme wie unsere zuverlässige und erklärbare Sprachanalyse liefern, sind sie in Ungnade gefallen, weil der manuelle Aufwand des Knowledge Engineering in der Forschung und Entwicklung als Flaschenhals empfunden wurde. Und die Suche nach anderen Möglichkeiten im Umgang mit der Sprachverarbeitung führte zum rein datenbasierten Paradigma. Heutzutage, unterstützt durch die immense Geschwindigkeit und Speicherkapazität von Computern, verlassen sich die meisten auf die Anwendung generischer ML-Algorithmen auf immer grössere Datensätze für sehr begrenzte Aufgaben. Seit diesem Paradigmenwechsel haben viele Entwickler*innen und Kund*innen viel Zeit und Geld in diese Systeme investiert. Da sie finanziell so stark eingebunden sind, sind sie oft schlicht nicht bereit zuzugeben, dass dieser Ansatz nicht die gewünschten Ergebnisse liefern kann, obwohl die Beweislage zunehmend ungünstig wird.

Doch der hybride, wissensbasierte Ansatz, bei dem ML-basierte Elemente mit von Menschen erstellten semantischen Wissensdarstellungen kombiniert werden, kann die Leistung von Systemen, die auf Sprachverständnis angewiesen sind, erheblich verbessern. In unserem Fall kann unsere Technologie mit diesem Ansatz die Fallstricke rein datenbasierter Systeme vermeiden, die auf unkontrollierten KI-Prozessen, simplem Schlüsselwortabgleich und sinnlosen Extraktionen von an sich kontextarmen und schnell veralteten Taxonomien basieren. Stattdessen können unsere Matching- und Analyselösungen auf die Smart Data zurückgreifen, die von unserer Ontologie erzeugt werden. Diese kontextbasierte, ständig aktualisierte Wissensdarstellung kann auf vielfältige Weise für intelligente Klassifizierungs-, Such-, Matching- und Parsing-Prozesse sowie zahllose weitere Prozesse im Bereich berufsbezogener Daten genutzt werden. Gerade im Bereich der HR-Analytik erzielen unsere Lösungen überdurchschnittliche Ergebnisse, die weit über der Leistungsfähigkeit vergleichbarer Angebote liegen. Dank der gelieferten Insights sind Arbeitgebende in der Lage, fundierte Entscheidungen im Talentmanagement und in der strategischen Personalplanung zu treffen – auf der Grundlage intelligenter, zuverlässiger Daten.

Tun Sie das Richtige und tun Sie es richtig

Nicht zuletzt gibt es noch die ethischen Bedenken bei der Anwendung von KI auf Textdaten. Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, was passiert, wenn der Einsatz von ML-Systemen schiefgeht. So löste 2016 der Chatbot eines Softwareherstellers eine öffentliche Kontroverse aus, weil er nach einem ungewollten, kurzen Training durch Internet-Trolle beinahe sofort begann, sexistische und rassistische Beleidigungen von sich gab, anstatt wie geplant die NLP-Technologie des Unternehmens auf unterhaltsame und interaktive Weise zu demonstrieren. Die Herausforderung, eine KI zu entwickeln, welche die moralischen Werte der Menschheit teilt und zuverlässig danach handelt, ist eine äusserst komplexe (und möglicherweise unlösbare) Aufgabe. Angesichts des Trends, ML-Systeme immer häufiger mit realen Verantwortlichkeiten zu betrauen, ist dies jedoch eine dringende und ernstzunehmende Angelegenheit. Gerade in Bereichen wie Justizvollzug, Kreditwesen oder eben HR ist ein inadäquater Einsatz von KI und ML besonders heikel. Das Talent- und Arbeitsmarktmanagement beispielsweise wirkt sich direkt auf das Leben von Menschen aus. Daher muss jede Entscheidung im Detail begründet werden können; fehlerhafte, voreingenommene oder jegliche Blackbox-Automatisierung mit direktem Einfluss auf wichtige Entscheidungen in diesen Bereichen muss ausgemerzt werden. Diesen Standpunkt vertritt auch die Europäische Kommission in ihrem Whitepaper zu KI und den damit verbundenen zukünftigen Regulierungen, insbesondere im HR-Bereich. Tatsächlich würden fast alle hochgelobten KI-Systeme für Recruiting und Talentmanagement, die aktuell auf dem Markt sind – und vor allem aus den USA stammen – unter diesen geplanten Vorschriften hochkant durchfallen. Der Ansatz von JANZZ.technology ist derzeit der Einzige, der mit diesen regulatorischen Anpassungen kompatibel sein wird. Und dies hat sehr viel mit unserer Wissensdarstellung zu tun, die es uns ermöglicht, nicht nur eine KI-Technologie zu entwickeln, die dem Verstehen von Sprache sehr nahekommt, sondern eine tatsächlich erklärbare KI. Der Weg in die Zukunft besteht also letztlich in der Erkenntnis – in den Worten der NLU-Forscherin McShane: Es gibt keinen Flaschenhals, sondern einfach nur Arbeit, die getan werden muss.

 Hier bei JANZZ.technology haben wir diese Arbeit für Sie bereits erledigt, dank Expert*innen mit diversem Hintergrund in Bezug auf Sprache, Erfahrung, Bildung, und Kultur. Ihr gebündeltes Wissen fliesst in unsere Ontologie JANZZon! ein und wird sowohl für Maschinen als auch für Menschen lesbar und verarbeitbar gemacht. Gemeinsam haben unsere Kurator*innen die bestmögliche und umfassendste Darstellung der stetig wachsenden Heterogenität des berufsbezogenen Wissens im Bereich von HR und Arbeitsmarktverwaltung. Dies ermöglicht mehrsprachige, modulare und vorurteilsfreie Lösungen für alle HR-Prozesse – und bringt Sie einen Schritt näher an wirklich intelligente HR- und Arbeitsmarktmanagement-Lösungen. Wenn Sie mehr über unsere Expertise und unsere Produkte erfahren oder von einer auf Ihre individuelle Situation zugeschnittenen Beratung profitieren möchten, kontaktieren Sie uns unter info@janzz.technology oder via Kontaktformular, besuchen Sie unsere Produktseite für öffentliche Arbeitsverwaltungen und folgen Sie unserer neuen Podcast-Serie.

[1] Toews, Rob. 2021. What Artificial Intelligence Still Can’t Do. URL: https://www.forbes.com/sites/robtoews/2021/06/01/what-artificial-intelligence-still-cant-do/amp/
[2] GPT-3 (Guardian). 2020. A robot wrote this entire article. Are you scared yet, human? URL: https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/sep/08/robot-wrote-this-article-gpt-3

«Dr. Cab Driver»: Hohe Über- und Unterqualifikationsraten, trotz ‘Fortschritt’ in der Bildung

Wer kennt diese Situation? Auf der Uber-Fahrt zum Flughafen lässt man sich in ein Gespräch mit dem Fahrer verstricken und bevor man es richtig weiss, ist man mitten in einer Diskussion über die Möglichkeiten von Gentech-veränderten Bakterien für die Herstellung von Krebsmedikamenten. Es stellt sich schnell heraus: Hier sitzt eine äusserst gebildete Person auf dem Fahrersitz, welche ihre Ausbildung momentan doch eher begrenzt einsetzen kann. In Bezug auf dieses Thema zeigt ein neuer Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nun,  » Lesen Sie mehr über: «Dr. Cab Driver»: Hohe Über- und Unterqualifikationsraten, trotz ‘Fortschritt’ in der Bildung  »