Schweizer Bank: Recruitment – Der E-Personalchef

Recruitment – Der E-Personalchef
Johannes J. Schraner (Schweizer Bank) – Neue digitale Möglichkeiten machen den Personalmarkt immer durchlässiger. Schweizer Banken rekrutieren aber nicht konsequent genug. Das reduziert ihre Wettbewerbsfähigkeit beträchtlich.

Rekrutieren die Banken auf dem Finanzplatz Schweiz richtig? Claudia H. verneint klar. «Ich finde seit acht Monaten keine neue Stelle, weil ich zu sehr spezialisiert bin und weil ich nicht genug persönliche Beziehungen habe», sagt die 31-jährige Spezialistin aus dem Investment Banking. Bei den Grossbanken würden die guten Stellen intern vergeben.
Der Weg über die HR-Abteilungen sei ebenfalls verbaut, weil sie dort aufgrund ihrer Spezialisierung aus dem Raster falle. Claudia H. hat vor über sechs Jahren ein Studium in Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen und ist in das Investment Banking einer Auslandsbank eingestiegen. Im Zuge der Finanzkrise kam da dann der grosse Stellenabbau.
Der hat auch bei Schweizer Grossbanken eingesetzt. Rekrutieren Schweizer Banken trotzdem professionell genug? «Die Investitionen der Banken für ihre Mitarbeiter in Deutschland und Österreich sind deutlich gestiegen, während sie bei Schweizer Banken unterdurchschnittlich sind», stellt Joachim Hasebrook kritisch fest.
Der Seniormanager bei zeb/rolfes.schierenbeck.associates hat vor kurzem eine Umfrage bei HR-Chefs, CEOs und Führungskräften von 421 Banken in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt.

Der Mensch ist keine Türfalle
Die Studie habe auch gezeigt, dass die Zahl der im Personalbereich tätigen Personen in allen drei Ländern generell gesunken sei. «Die Qualität des Personalmanagements aber bestimmt zunehmend den wirtschaftlichen Erfolg von Banken», warnt Hasenbrook.
Gute Personalarbeit sei ein Wettbewerbskriterium, das wirtschaftlich erfolgreiche Institute klar von nicht erfolgreichen unterscheide. Dazu gehört vor allem die Selektion. «Die Hälfte aller fachlich oder persönlichkeitsbedingten Ausfälle von Angestellten ist auf Fehler im Recruitment zurückzuführen», bestätigt der Berater und Personalvermittler Rolf Hert in Zürich.
Die elektronische Bewerbung, die heute nicht mehr wegzudenken sei, bringe zusätzliche Gefahren für die Personalarbeit. Wer zum Beispiel eine Bewerbung an eine elektronische Postadresse einer Bank sende, höre unter Umständen drei Wochen nichts. Die respektvolle 48-Stundenregel für eine Antwort gäbe es oft nicht mehr, sondern nur ein automatisch abgesetztes Geduldsmail, das sehr unpersönlich wirke.
Personalisierung wäre aber auch hier wichtig, so Hert. Menschen könnten nicht beschafft werden wie Produkte von Industriezulieferern. Zudem führe der Einsatz standardisiertstrukturierter Interviews bei Massenbewerbungen, oft von noch wenig erfahrenen Recruitern durchgeführt, zu Frustrationen bei gestandenen Professionals. Nicht selten beklagten sich Kandidaten, man habe gar kein persönliches Gespräch geführt, sondern einen Fragebogen abgehakt.
Massenbewerbungen meistern muss zum Beispiel André Zeder, HR Recruiting-Chef von UBS in der Schweiz. «Obwohl inzwischen 95 Prozent aller Bewerbungen elektronisch bei uns eintreffen, wird jedes Dossier manuell gesichtet und in einem ersten Schritt mit einem Standard-Mail beantwortet», hält Zeder fest. Bis Ende September habe UBS in diesem Jahr rund 2000 offene Stellen ausgeschrieben. Erhalten habe UBS darauf rund 47 000 Bewerbungen. Darunter befänden sich vermehrt Blindbewerbungen.
Vor allem zwischen März und Oktober sei die Volumenverarbeitung für seine Abteilung eine Herausforderung, weil dann die Bewerbungsflut Höchststände erreiche. Der Grund dafür wiederum sei der Zeitpunkt der Boni-Auszahlungen. «Vor oder nach der Auszahlung wollen oder können viele ihre Stelle nicht wechseln», sagt Zeder.
Vom Zeitpunkt der Ausschreibung bis zur Unterschrift des erfolgreichen Kandidaten dauere es im Durchschnitt rund 50 Tage. «Banking is people», hält UBS-Mann Zeder fest. Der durch die Digitalisierung reduzierte persönliche Kontakt mache ihm schon gewisse Sorgen. Die Rekrutierung sei wie im angelsächsischen Raum fast zum Massengeschäft geworden. Seine grösste persönliche Sorge sei, dass bei ihm ein Exot oder Quereinsteiger mit Potenzial durchfalle.
Tatsächlich sei der Einsatz des Online-Bewerbertools sehr wichtig und seine Benutzung werde von den Kandidaten erwartet, erklärt Franz Würth von Raiffeisen Schweiz. Es vereinfache und beschleunige den administrativen, aber auch generell den Selektions- und Prüfprozess deutlich.

Soziale Medien immer wichtiger
Mit dem Tool bestehe die Möglichkeit, sogenannte Online-Fragen zu stellen. Sie liessen eine Vorselektion der Kandidaten zu. Eine allfällige Absage bei Kandidaten, welche gewisse Anforderungen nicht erfüllten, erfolge aber immer manuell und nicht automatisiert.
Thomas Pfenninger von der Zürcher Kantonalbank formuliert die Herausforderung so: «Vor allem der Arbeitsmarkt für hochqualifizierte Mitarbeitende ist nach wie vor umkämpft und wird es auch in Zukunft bleiben.» Der ZKB fehlten derzeit vor allem im Vertrieb Senior Kundenberater sowie in vertriebsnaher Umgebung Business Engineers. Spezialisten fehlten zudem im Risk-, Wertschriftenabwicklungs- und im Financial Engineering-Bereich.
Bei Raiffeisen sind es Kreditfachspezialisten, Firmenkundenberater, Leiter im Back-Office sowie IT-Fachspezialisten. Die fehlen auch bei UBS. Auch Kundenberater, Compliance Officers und Riskmanager im Derivatebereich sind dort gesucht.
«Neben dem Einsatz von Headhuntern sowie Direktabwerbungen von der Konkurrenz spielen die sozialen Netzwerke wie LinkedIn, Xing oder JANZZ.jobs beim Finden und Einstellen von Spezialisten eine immer grössere Rolle», hält UBS-Mann André Zeder fest. Vor allem die Plattform janzz eröffne neue Möglichkeiten, sowohl für den Stellensuchenden als auch für den potenziellen Arbeitgeber. Tatsächlich ist JANZZ.jobs eine Art Dating System, bei dem die Kandidaten am Anfang anonym bleiben und trotzdem ihre Arbeitsmarktfähigkeit zeigen können.«

Schweizer Bank, Artikel: Recruitment – Der E-Personalchef (3.1 MB)