Schweiz 2030: Chancen und Gefahren der Digitalisierung
Berufe werden aufgrund der Digitalisierung verschwinden – keine Neuigkeiten für unsere Ohren. Doch die erste umfassende Studie zu Auswirkungen der Digitalisierung bis 2030 erklärt Verheerendes: Allein in der Schweiz sollen mindestens 1’000’000 Jobs verschwinden. Eine erschreckende Zahl bei rund neun Millionen Einwohnern. McKinsey & Company fanden heraus, dass tatsächlich fast ganze Branchen betroffen sind, die Digitalisierung jedoch auch neue Jobs und Produktivität schafft.
Manuelle und einfach kognitive Fähigkeiten besonders gefährdet
Die McKinsey & Company-Studie «Die Zukunft der Arbeit: Die digitale Chance der Schweiz» prophezeit, dass 20 bis 25 Prozent der Jobs in der Schweiz bedroht sind. Es sind vor allem die manuellen und einfach kognitiven Jobs, die durch die Digitalisierung nicht mehr von Menschen ausgeführt werden müssen, wie beispielsweise Kassierer, Datenerfasser, Lageristen oder Produktionshelfer. Diese Jobs sind durch eine Vielzahl von technologischen Helferlein schon heute immer häufiger automatisiert – bis 2030 wird dies noch wesentlich zunehmen. Auch handwerkliche Fähigkeiten werden immer weniger gefragt sein. Man spricht also vor allem von den sogenannten low-skilled Jobs – wobei dabei absolute Vorsicht geboten ist. Denn auch statistische sowie Lese- und Schreibfähigkeiten werden 2030 stark automatisiert sein. Ebenso gibt es bereits heute sehr gute Tools, um erfolgreiches Projektmanagement zu leisten. Somit hat vor allem der Schweizer Bankensektor eine grosse Aufgabe vor sich, denn viele dieser Fähigkeiten sind hier entscheidend. Schon heute verzichten mehr und mehr Bankkunden auf persönliche Beratung, ziehen das Informationsportal in ihrem Onlinebanking vor. Es wird erwartet, dass 50’000 Jobs in der Finanzbranche, 120’000 im Detailhandel, sowie 70 bis 100’000 in der Industrie verschwinden werden.
Neue Jobs in 2030
Doch natürlich fordert die Digitalisierung auch neue Skills, wodurch gleichzeitig viele neue Jobs und Stellen entstehen. Gefragt sein werden vor allem technologische, wissenschaftliche und soziale Kompetenzen. Somit werden wiederum auch rund 800’000 Jobs geschaffen werden – nur unglücklicherweise hauptsächlich nicht in den gleichen Bereichen, in denen die Jobs verschwinden. Gleichzeitig schafft die Digitalisierung auch direkt Jobs, denn vollzogen werden muss sie von Menschen. So werden jetzt «Digital Transformation Officer» oder «Projektmanager Interne Digitalisierung» gesucht.
Leider können jedoch nicht ganz einfach die Jobs umverteilt werden. Beispielsweise kann ja nun nicht ein Maschinenbediener Projektmanager werden. Oder eben ein Kassierer Krankenpfleger. Im Gegenteil muss schon jetzt in der Ausbildung angesetzt und aufgeklärt werden, denn Umschulungen sind zum einen sehr teuer, zum anderen schwierig für einen grossen teil der Bevölkerung zu organisieren. Ebenso kann ja nun nicht davon ausgegangen werden, dass auch die benötigten Skills und Soft Skills für diese Berufe vorhanden sind. Wir haben nicht alle die benötigte Empathie und Kraft, um alte und kranke Menschen zu pflegen oder das technologische Verständnis für die neuen Berufe.
Gesundheitsbereich stark wachsend
Neben dem technologischen Bereich werden besonders viele Stellen im Gesundheitswesen entstehen. Einerseits sind für diesen Bereich soziale Kompetenzen entscheidend. Andererseits ist dies der alternden Gesellschaft zu verdanken: 2030 werden 23 % der Schweizer Bevölkerung über 65 Jahre alt sein gegen 18 % heutzutage. Demnach steigt der Bedarf an Pflegekräften erheblich, ein Mehrbedarf von bis zu 85’000 Kräften wird im Gesundheitswesen erwartet, insbesondere Fachkräfte für Gesundheit, sowie die studierten Pflegefachmänner/-frauen gilt. Es werden nicht nur bereits zu wenige ausgebildet, viele verlassen auch wieder den Job, unter den Fachkräften Gesundheit sogar 3 aus 4 Angestellten. Die Gründe dafür sind zahlreich: der Schichtdienst, die körperlich harte Arbeit und ebenfalls der niedrige Lohn. Unter den Pflegefachfrauen/-männern bleiben immerhin rund die Hälfte in Ihrem Beruf.
Nicht nur in der Schweiz, der Mangel gilt in vielen Teilen der Welt. So fand eine Studie heraus, dass in den kommenden Jahren der Mangel noch um rund 2 Millionen Kräfte steigen wird in den USA, wo insbesondere Kräfte für die Pflege zu Hause oder in Altenheimen gesucht werden. Doch die Löhne für Beschäftigte in diesen Teilbereichen liegen gleichzeitig besonders niedrig, teilweise betragen sie weit weniger als die Hälfte des jährlichen Medianeinkommens in den USA. Ebenso sind auch hier der Schichtdienst und die körperlich-schwere Arbeit sehr belastend für Angestellte. Unter diesen Bedingungen wird eine Besetzung der erforderlichen Stellen immer unwahrscheinlicher.
Wie wird der Arbeitsmarkt finanziert und gestaltet?
Schön ist es ja schon, dass vor allem körperliche harte Arbeit erleichtert wird, weil sie von Robotern oder anderen Helferlein übernommen werden kann. Leichter werden dadurch jedoch leider auch die Kassen. Denn Roboter zahlen nun mal kein Steuern oder in die Pensionskassen ein. Wie finanzieren wir also den zukünftigen Arbeitsmarkt, sowie unsere Strassen, Schulen, oder die ganze neue Ausstattung für die digitalisierte Welt? Führen wir eine «Digitalisierungssteuer» ein? Oder müssen Arbeitgeber genauso Pensionsabgaben für Roboter zahlen wie für menschliche Mitarbeitende?
Frage ist nun auch, inwieweit nicht nur eine Übernahme der Aktivitäten durch Roboter, etc. möglich ist, sondern auch erlaubt. Denn wo bisher humane Augen draufgeschaut haben, werden nun nur Bildschirme Veränderungen wahrnehmen. Ist das gesetzlich überhaupt vertretbar? Ebenso müssen für viele Tätigkeiten bestimmte Zertifikate erlangt werden. Die Frage ist nun, wie wir die Kompetenz eines Roboters sichern. Können Roboter beispielsweise Fahrprüfungen bestehen?
Und gerade bei Fehlern ist die Klärung der Verantwortung schon heutzutage schwierig. Oft werden monatelang Gutachten geschrieben, um zu klären, wer für entstandene Schäden aufkommt. Werden wir nun also eine «Roboter-Versicherung» bald abschliessen können?
Ähnliche Probleme weltweit
Nicht nur die Schweiz trifft auf die benannten Herausforderungen. So fehlen in Deutschland heute schon 300’000 MINT-Kräfte. In den USA hat eine grossangelegte Studie die Wahrscheinlichkeit für Automatisierung von 702 Jobs untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass 47 % des amerikanischen Erwerbsbevölkerung mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen sind. Jobs, die jedoch ein hohes Mass an sozialer Intelligenz (beispielweise Pressesprecher), Kreativität (Modedesigner) sowie eine gute Auffassungsgabe und Handhabung benötigten (Chirurg), waren kaum gefährdet. Weltweit steht man also vor ähnlichen Herausforderungen. So hat der Investment-Konzern CBRE Group herausgefunden, dass in Asien 50 Prozent aller Jobs bis 2025 bereits gefährdet sind, insbesondere ebenfalls in den manuellen und einfach kognitiven Bereichen.
Massnahmen
In Deutschland hat man nun ebenfalls den Ernst der Lage erkannt. Hier wird ein Gesetz zur vereinfachten Einwanderung als Fachkraft eingeführt, um dem Fachkräftemangel, insbesondere im Gesundheitswesen, entgegenzuwirken. Dieses gilt für Bürger von Drittstaaten, also nicht EU-/EFTA-Staaten, welche bereits von der Personenfreizügigkeit profitieren. Einwandern kann jeder, der eine ausreichende Qualifikation für einen Beruf hat und einen Arbeitsvertrag. Ebenso wird es ein sechsmonatiges Visum für die Jobsuche geben. Die frühere Prüfung, ob ein EU-Staatsbürger stattdessen den Job ausüben könnte, entfällt. Ähnliche Ideen kamen kürzlich aus dem Vereinigten Königreich. Dort wird im Frühjahr 2019 eine neues Start-up-Visum eingeführt. Die Regierung will ausländischen Technologieunternehmern leichteren Zugang verschaffen, damit sie in Grossbritannien neue Unternehmen aufbauen.
Transformation gelingen lassen
Wie sollten diese Herausforderungen nun bewältigt werden? Die Digitalisierung stellt zwei Aufgaben in den Fokus. Erstens sollte die Transformation der Wirtschaft massgeblich unterstützt werden, ohne sie zu schnell geschehen zu lassen. Eine zu schnelle Transformation könnte höhere Arbeitslosigkeit verursachen, da neu-erforderliche Skills noch nicht entwickelt werden konnten. Die Transformation erfordert neue Prozesse und Geschäftsmodelle der Unternehmen. So findet beispielweise nur 8 Prozent des Handels in der Schweiz online statt, gegen 15 oder 18 Prozent in Deutschland und Grossbritannien. Gelingt dies gut, kann vor allem die Schweizer Wirtschaft erheblich von der Transformation profitieren und die Produktivität um rund ein Prozent pro Jahr steigern. Durch die höheren Reallöhne würde auch der Konsum tendenziell ansteigen, welches ebenfalls neue Jobs schafft.
Schulen statt warten
Gleichzeitig muss ein Fokus daraufgelegt werden, Mitarbeitende und Lernende grundlegend in den Fähigkeiten der Zukunft zu schulen. Lehren sollten wesentlich mehr technologische Inhalte haben, beispielsweise sollten Lernende im Büro mehr Aufgaben am Computer übernehmen können. Schon heute kann der Bedarf an Technologieabsolventen in der Schweiz längst nicht gedeckt werden, in der Zukunft stände mit den rund 3000 Absolventen weniger als die Hälfte zur Verfügung.
Gleichzeitig zeigt sich wiederholend, dass soziale Kompetenzen grundlegend unterschätzt werden, für eine langfristig erfolgreiche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt jedoch eine grosse Rolle spielen. Hier sollten ebenfalls Unternehmen und Bildungseinrichtungen ansetzen und umfassend schulen. Insgesamt ist also ein grundsätzliches Umdenken in Bezug auf Fähigkeiten-Entwicklung unabdingbar.
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[1] McKinsey Global Institute. 2018. The Future of Work: Switzerland’s Digital Opportunity. Zürich/Brüssel. URL: https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/featured%20insights/
europe/the%20future%20of%20work%20switzerlands%20digital%20opportunity/the-future-of-work-switzerlands-digital-opportunity.ashx [2018.11.10].
[2] Hug, Daniel. 2018. Bis 2030 fallen in der Schweiz eine Million Jobs weg. In: NZZ am Sonntag, 6.10.2018. URL: https://nzzas.nzz.ch/wirtschaft/bis-2030-fallen-in-schweiz-eine-million-jobs-weg-ld.1426280?reduced=true [2018.11.10].
[3] AsiaOne. 2016. Top 10 careers that are dying a slow death. URL: http://www.asiaone.com/business/top-10-careers-are-dying-slow-death [2018.11.08].
[4] Frey, Carl Benedikt, Osborne, Michael A. 2013. The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?. Oxford. URL: https://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/future-of-employment.pdf [2018.11.10].
[5] Oh, Soo. 2017. The future of work is the low-wage health care job. URL: https://www.vox.com/2017/7/3/15872260/health-direct-care-jobs [2018.11.10].
[6] MAMK/DPA. 2018. Arbeitgeber melden Rekord beim Fachkräftemangel. In: KarriereSPIEGEL. URL: http://www.spiegel.de/karriere/fachkraeftemangel-arbeitgeber-klagen-ueber-fehlende-mint-kraefte-a-1207636.html [2018.11.08].
[7] Bauer, Karin. 2018. Welche Jobs bleiben, welche verschwinden. In: Der Standard. URL: https://derstandard.at/2000078804017/Welche-Jobs-bleiben-welche-verschwinden [2018.11.09].
[8] Walser, Rahel. 2017. Beruf Fachkraft Gesundheit – Nach der Lehre die grosse Ernüchterung. URL: https://www.srf.ch/news/schweiz/beruf-fachkraft-gesundheit-nach-der-lehre-die-grosse-ernuechterung [2018.12.03].
[9] Böcking, David. 2018. Einwanderungsgesetz für Fachkräfte. Wer darf künftig zum Arbeiten nach Deutschland kommen? In: Der Spiegel. URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/fachkraefte-die-offenen-fragen-beim-einwanderungsgesetz-a-1239722.html [2018.12.05].
[10] Hoock, Silke. 2018. Abschiebung nach Mazedonien. Wieder eine Krankenschwester weniger. In: Der Spiegel. URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/abschiebung-krankenschwester-amela-memedi-muss-nach-mazedonien-a-1239890.html [2018.12.05].
[11] The Government of United Kingdom. 2018. New start-up visa route announced by the Home Secretary. URL: https://www.gov.uk/government/news/new-start-up-visa-route-announced-by-the-home-secretary [2018.12.03].