Was bedeutet eigentlich genau Job- bzw. Skills-Matching? In der Rekrutierung und im HR-Management? Teil 2/10
Matching ist das HR-Trendthema 2015 schlechthin, das habe ich bereits im letzten Beitrag (siehe Überblick über technologische Trends im HR) erwähnt. Doch was genau Matching bedeutet, bleibt meist noch unklar. Trotzdem liest man auf vielen Jobplattformen, in sozialen Netzwerken und auf CV-Datenbanken etc. von „Matching“: «Finde deinen Traumjob! Aktuell 28‘569 Jobs von 5‘104 Firmen» so oder ähnlich werben diese für ihre Dienstleistungen. Wie findet man nun unter 28‘569 Jobangeboten den perfekt passenden Job? Eben, dank Matching.
Der Begriff Matching steht im Englischen für «passend» oder «dazu passend». Einfach ausgedrückt geht es bei einem Matching-Prozess darum, zu einem Topf den passenden Deckel zu finden – oder umgekehrt. Wirtschaftlich bedeutet das, Angebot und Nachfrage einer Dienstleistung beziehungsweise eines Produkts zusammenzuführen. Ein Prozess mit dem bestehende und erfasste Daten miteinander abgeglichen werden, um die höchst mögliche Übereinstimmung als Resultat zu liefern. Das Matching schon jetzt weit mehr als nur ein Buzzword ist, sondern ein wachsender Wirtschaftszweig, zeigt auch der Artikel von Ben Baldwin im Wall Street Journal.
Zuverlässige Daten sind matching-entscheidend
Nehmen wir uns dem Prozess des Matchings mal spezifisch mit einem Beispiel aus der Rekrutierung an. Einerseits werden die definierten Anforderungen einer Jobausschreibung eingegeben und das gegenüber z. B. der/die Kandidat/-in, erfasst ebenfalls die geforderten Kriterien wie Tätigkeit, Ausbildung, Erfahrung, Kompetenzen, Hard und Soft Skills usw.. Mittels der Abgleichungen des Matching-Prozesses wird der oder die am besten Geeignete direkt herausgefiltert oder eben gematcht. Damit Matching auch wirklich erfolgreich eingesetzt werden kann, benötigt es sehr sauber klassifizierte und zuverlässige Daten. Diese können entweder durch ein detailliertes Profiling oder über festgelegte Suchmasken gewonnen werden. Bereits heute gibt es Unternehmen mit eigenen massgeschneiderten Matching-Lösungen, aber natürlich auch diverse Jobmatching-Plattformen. Doch Matching ist nicht gleich Matching. Selbst wenn der Prozess wie oben sauber und umfassend definiert ist, sind die Anforderungen an das gewünschte Resultat doch immer noch sehr individuell und oft immer noch unzureichend spezifiziert.
Analogie zu Dating-Plattformen
Ich möchte Ihnen dies etwas detaillierter aufzeigen, in dem ich mich einem Fallbeispiel annehme. Matching-Technologie findet Ihre Anwendung nämlich nicht nur im Recruiting, bereits schon länger setzen z. B. Dating Pattformen den Prozess erfolgreich ein. Um Ihnen näher zu bringen wie Matching genau funktioniert und warum es wegen unterschiedlicher Priorisierungen zu ganz anderen Resultaten kommen kann, nehmen wir uns das Dating mal als Beispiel.
Quelle: istockphoto.com
Ein junger, braunhaariger, schlanker Mann um die 30 erfasst die von der Plattform geforderten Kriterien wie Alter, Statur und Haarfarbe. Im Anschluss gibt er alle für seine Suche relevanten Kriterien ein: junge Frau, blond, schlank. Er erhält nun folglich Suchresultate mit allen jungen Frauen, die in Ihrem Profil blond und schlank angegeben haben und die selbst auf der Suche nach einem braunhaarigen schlanken Herrn um die 30 sind. Eine perfekte Übereinstimmung wie in diesem Beispiel ist ein eher seltener Fall. Sogar bei diesen drei simplen Kriterien, die in diesem Fall auch noch alle gleich gewichtet wurden, die beide Seiten erfasst haben, kann es zu Unstimmigkeiten kommen. Denn jeder definiert für sich die Dinge etwas anders. Was heisst schlank? Für den einen ist immer noch schlank, was für die andere aber bereits nicht mehr ist. Die eine bezeichnet ihre Haarfarbe allenfalls schon als hellbraun, für den anderen ist es noch ganz klar blond usw. Doch was passiert, wenn in den Suchresultaten dann doch 25 vermeintlich korrekte Treffer erscheinen? Nach welchen Kriterien werden diese dann sortiert? Nähe zum Wohnort des Suchenden? Hobbies? Jung vor alt? Grundsätzlich erfüllen ja alle 25 Frauen die gewünschten drei ungewichteten Kriterien. |
Eine Priorisierung kann also nur durch ein spezielles Sortieren oder durch das Hinzufügen von weiteren Kriterien passieren. Ein Prozess, den aber der User eindeutig definieren muss. Somit ist Matching, selbst in diesem auf den ersten Blick simplen Prozess, eben nicht gleich Matching.
Matching geht nur, wenn beide vom Gleichen sprechen
Für Kriterien gibt es also keine Standards, keine definierten Suchmasken oder vorgeschriebene Richtlinien usw.. Sie selbst müssen diese standardisieren, gewichten oder eben priorisieren. Und eine solche Standardisierung/Priorisierung/Gewichtung muss nicht unbedingt von beiden Matching Partnern gleich beurteilt bzw. festgelegt werden, was dann zu zum Teil stark unterschiedlichen Resultaten bei beiden Beteiligten führt. Deswegen ist Matching immer nur die von vornherein definierte und somit auch mögliche Übereinstimmung. Dies gilt 1:1 auch für das Matching im HR oder dem Recruitment. Jede Firma hat ganz individuell definierte Anforderungen an einen Kandidaten und gewichtet diese unterschiedlich. Wie unterschiedlich diese sind, zeigen uns diese kurzen Testimonials von Pongo.
Hard Skills, Soft Skills
Manchen Firmen ist nicht wichtig, wie viel Berufserfahrung ein Bewerber oder eine Bewerberin nach der Ausbildung gesammelt hat, andere schreiben eine Mindestdauer vor. Für gewisse Unternehmen sind Soft Skills bereits in einem ersten Auswahlschritt von grosser Bedeutung, bei anderen spielen diese erst nach einer engeren Auswahl, z. B. im Verlauf eines Assessments eine Rolle. Art der Ausbildung, Weiterbildungen, Sprachdiplome, Lohnvorstellungen, ICT-Kenntnisse und Levels usw. sind alles Kriterien, die das durch Matching angezeigte Suchresultat beeinflussen respektive je nach persönlicher Priorisierung zu einem ganz anderem „Match“ führen. Das obwohl sich zwei Unternehmen aus dem gleichen Talent Pool oder halt auf der gleichen Jobplattform bedienen.
Anforderungen an die Matching-Technologie
Matching-Technologie im Recruiting ist also wesentlich komplexer als bei einer Dating Plattform. Deswegen braucht es für ein zufriedenstellendes Resultat fast immer zusätzliche Kriterien über den Jobtitel hinaus. Vor allem dann wenn es sich dabei oft eher um „Fantasiebezeichnungen“ oder Funktionen als eigentliche, aussagekräftige Berufe/Tätigkeiten handelt. Doch je mehr Informationen in einer Suchmaske abgefragt werden, desto komplexer der Prozess des Matchings. Mit steigender Anzahl der Kriterien erhält die Priorisierung durch den User mehr Einfluss. Die jeweilige Gewichtung sorgt eben für ein ganz anderes Suchresultat.
- Je weniger Kriterien in einem ersten Schritt gefragt sind, desto mehr Kandidaten werden Sie in der Auswahl haben. Davon werden aber viele Ihr Suchprofil wohl nur teilweise abdecken.
- Je mehr Kriterien gefordert werden, desto kleiner die Auswahl an Kandidaten. Diese werden dann zwar genauer Ihrer Suche entsprechen, aber das Risiko besteht auch, dass ein interessanter Kandidat nicht in Ihren Resultaten auftaucht weil er z. B. von 6 Anforderungen 2 nicht ganz erfüllt, bzw. sein Kenntnisse nicht ganz dem geforderten Niveau entsprechen usw.
Das zeigt wiederum auch, wie wichtig die Definition der Priorisierung für ein Unternehmen ist. - Viel zu viele Kriterien sind aber ebenfalls wieder hinderlich, nicht nur weil die Eingabe zeitaufwendiger wird, sondern auch weil mathematisch begründet die Fehlerquote zunimmt (analog z. B. Efficient Frontier aus der Finanzmathematik)
Zugegeben es gibt natürlich auch einfachere Matchings im HR und Recruiting bei denen auch mit lediglich einem Kriterium nämlich der Tätigkeit ein nahe zu perfekter Match möglich ist. Dies ist bei Jobtiteln der Fall, die auch die Tätigkeit bereits gut beschreiben wie Hebamme, Dogwalker usw.. Doch bei Tausenden von Berufen braucht es nach meiner Erfahrung mindestens drei Kriterien um überhaupt die richtige Tätigkeit matchen zu können wie z. B. bei sehr unspezifischen Bezeichnungen wie Kundenberater, Manager usw. Ein Kundenberater im Hypothekargeschäft hat schlicht nichts mit der Kundenberaterin im Telekom-B2B-Center gemeinsam. Ebenfalls ist ein HR-Manager nicht das gleiche wie ein SEO-Manager, nur weil beide Datensätze in diesem Fall das Wort „Manager“ enthalten. Das Matching aber auch mit einer handlichen Anzahl an Kriterien gar nicht so einfach ist zeigt dieses Fallbeispiel einer jungen Frau auf Jobsuche.
Chancen oder Zuerst kommt die Arbeit, dann das Matching
Sie sehen an den genannten Fallbeispielen, warum eben Matching nicht gleich Matching sein kann. Es ist lediglich ein Prozess, der auf Grund von vorher definierten Standards zu einem Resultat führt. Das Matching ist aber nicht die besagte Definition, sondern nur der „Ausführer“. Das Job- bzw. Skills-Matching bedeutet also nicht einfach nur Beruf mit Beruf und Skills mit anderen Kompetenzen zu verknüpfen, sondern es soll aus den von Ihnen definierten Kriterien den bestmöglichen Match generieren. Dies braucht übrigens sehr viel Know-how und Erfahrung und ist nur in geringem Masse von einzigartigen und intelligenten Algorithmen abhängig, wie uns heute Systeme und Plattformen glauben machen wollen.
Unternehmen die einmal diese Grundlagen in guter Qualität geschaffen haben, können vom Matching aber in ungeahntem Ausmass profitieren. Das Matching – und damit die Möglichkeiten automatisierter Prozesse – bedeutet dann nämlich eine substantielle Zeit- und Kostenersparnis. Stellen Sie sich vor wie viel Zeit Sie alleine benötigen, um die unpassenden Bewerbungen bei jeder Ausschreibung auszusortieren. Vor allem dann, wenn Sie z. B. international in Märkten rekrutieren, wo auf eine einzige Stelle gerne auch mal 60‘000 Bewerbungen in wenigen Stunden bei Ihnen eingehen können. Der Computer kann Ihnen auf Wunsch hunderte von CV’s in Real Time durchleuchten und die besten Matches herausfiltern. In naher Zukunft wird das aber nicht nur mit Suchmasken möglich sein, sondern auch aus Big Data. So finden Sie allenfalls den perfekten Kandidaten, obwohl dieser vielleicht gar nicht aktiv auf der Suche ist oder sich gar nicht bei Ihnen beworben hat. Matching generiert einen Netzwerkeffekt, durch den der Jobmarkt tatsächlich attraktiver wird mit jedem Kandidaten und Jobangebot. Ein riesiges Potenzial, das sich so in Zukunft erschliessen wird.
Matching beschränkt sich nicht allein auf Rekrutierung
Sie sehen wie komplex bereits die Anwendungen alleine in der Rekrutierung sein können. Es soll als exemplarischer Fall dienen, um das Potential und den Prozess aufzuzeigen. Natürlich gibt es viele weitere Anwendungen im gesamten HR. Dank komplexeren Matchings zwischen mehr als zwei Datensätzen kann in einer globalen Organisation das z. B. perfekte Projektteam anhand konkreter Fähigkeiten und Skills zusammengestellt werden. Welche dieser Skills aktuell so bei Unternehmen am meisten gefragt sind, hat die Universität Kent untersucht. Anhand dieser Top Ten liesse sich bereits ein schlagkräftiges Team zusammenstellen ohne, dass Sie. überhaupt nach einem Jobtitel gesucht hätten. Im weiteren liessen sich durch Matching-Methoden aber viele weitere Anwendungen ableiten, sei dies in der Gap Analyse, im Skills Development und Benchmarking ihrer Belegschaft mit externen Bewerbenden und Märkten u.v.m..
Um aber auf alle diese Beispiele auch noch konkret einzugehen würden wir den Rahmen dieses Beitrags bei weitem überspannen. Zudem warten noch weitere Fragen, die ich mit dieser Serie beantworten möchte. Sicher ist aber, dass Job- bzw. Skills-Matching viel gewinnbringender eingesetzt werden kann als viele denken, aber auch dass der Prozess äusserst anspruchsvoll ist, weil es neben den oben angeführten Gründen auch noch zwei äusserst unterschiedliche Formen von Matching gibt: keywordbasiertes und ontologiebasiertes Matching. Den Unterschieden der beiden Matching-Formen nehmen wir uns mit der nächsten Frage meiner Serie an. Falls Sie jetzt denken, dass diese Ausführungen eher für einen Programmierer interessant sein werden, irren Sie. Lassen Sie sich im nächsten Beitrag davon überzeugen und natürlich beantworte ich gerne noch Ihre Fragen zum Thema Matching und freue mich über spannende Diskussionen und Reaktionen.
Der Beitrag ist Teil meiner Reihe Was Sie schon immer über technologische Trends und Themen im HR wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten.