Berufliche Chancengleichheit beginnt beim anonymisierten Bewerbungsverfahren

Die Schweiz gilt bei vielen Tourist*innen als beliebtes Reiseziel. Wie würden sie das Land aber sehen, wenn sie hier lebten und einen Job suchen müssten?

Relativ hohe Gehälter sind ein Hauptmotivationspunkt für ausländische Arbeitskräfte, wenn sie sich dazu entscheiden, eine Beschäftigung in der Schweiz zu suchen. Zahlen vom Bundesamt für Statistik (BFS) zeigen, dass die Anzahl an Grenzgänger*innen steigt und im Jahr 2020 332’177 Personen beträgt [1]. Das BFS berichtet ebenfalls, dass die Anzahl der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, welche aktiv im Schweizer Arbeitsmarkt involviert sind, sich Ende 2019 auf 1.6 Millionen belief [2], was die Anzahl ausländischer, in der Schweiz lebender Arbeitnehmer*innen bei 1.3 Millionen ansetzt – rund ein Viertel der Erwerbstätigen des Landes.

Im Vergleich zur Anzahl Schweizer Erwerbstätigen sind die Anstellungsquoten bei ausländischen Arbeitnehmer*innen viel tiefer. Eine neue Studie impliziert, dass bei männlichen Migranten während ihrem ersten Jahr die Anstellungsrate ungefähr 16% tiefer ist als jene bei Männern, die in der Schweiz geboren wurden. Bei den Frauen beläuft sich dieser Unterschied sogar auf 37%. Auch wenn sich dieser Abstand mit der Zeit verringert, sind die Anstellungsquoten von ausländischen Arbeitskräften nach fünf Jahren in der Schweiz noch 4% (Männer) bzw. 13% (Frauen) tiefer als jene der Schweizer*innen [3].

Es gibt viele Gründe weshalb ausländische Arbeitnehmer*innen Nachteile im Arbeitsmarkt ihres Ziellandes erfahren. Ein wichtiger betrifft die sogenannten kompatiblen Kompetenzen, was sowohl Human-, als auch Sozialkapital beinhaltet. Im Vergleich zu Schweizerinnen und Schweizern sind neuankommende Arbeitnehmende im Hinblick auf diese Fähigkeiten im Gastland oft benachteiligt. Sie sind in der Regel weniger vertraut mit den örtlichen Gepflogenheiten und haben seltener eine anerkannte Berufsausbildung oder Zertifizierung. Zudem fehlt es ihnen oftmals an Informationen über ihre Arbeitsmarktchancen, zum Beispiel über lokale Netzwerken oder Erwartungshaltungen von Arbeitgeber*innen, die bei der Arbeitssuche nützlich sind. Glücklicherweise nehmen diese Nachteile ab, je länger man sich im Gastland aufhält [4].

Die Amtssprache ist eine weitere Fertigkeit die je nach Land und, im Falle der Schweiz sogar je nach Landesteil, variiert. Das Beherrschen der Landessprache(n) ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg auf dem örtlichen Arbeitsmarkt. Die vier offiziellen der Schweiz sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Gemäss unseren Schätzungen, die auf mehr als 10 Jahren Erfahrung in der Analyse von Berufsdaten basieren, beträgt die durchschnittliche Anzahl der von Schweizer Arbeitgebern verlangten Sprachen 2 bis 2.5: eine oder zwei lokale Sprachen kombiniert mit Englisch. Für Muttersprachige einer der Landessprachen sind dies Kenntnisse in einer oder zwei Fremdsprachen – beides gehört zum Standardlehrplan an Schweizer Schulen. Für ausländische Arbeitskräfte, zumindest für die rund 60%, der Personen, die nicht Muttersprachlerinnen und Muttersprachler einer dieser vier Sprachen sind, sind diese Anforderungen um einiges anspruchsvoller.

Vergleicht man die Kompetenzen und das Qualifikationsniveau zwischen Schweizer und ausländischen Arbeitnehmenden, ist der Anteil der Personen mit Hochschulbildung vergleichbar zwischen den zwei Gruppen. Jedoch ist der Anteil der geringqualifizierten Arbeitskräfte bei Ausländer*innen viel höher im Vergleich zu Schweizer*innen. Sowohl bei hochqualifizierten als auch bei geringqualifizierten Arbeitskräften ist das Beherrschen der Landessprache oftmals ein vernachlässigbarer Faktor. Beispielsweise ist Englisch für Arbeiter wie Bauarbeiter und Hausmeister meist irrelevant, und von Nicht-Muttersprachlern werden oft nur Grundkenntnisse einer lokalen Sprache verlangt. Auf der anderen Seite sind lokale Sprachen für Arbeiter in internationalen Unternehmen, Universitäten und anderen internationalen Institutionen und Organisationen, in denen Englisch gang und gäbe ist, nicht unbedingt unerlässlich.

Im Hinblick auf ausländische Arbeitnehmer*innen mit mittleren Fähigkeits- und Qualifikationsprofilen besteht jedoch ein Nachteil punkto sprachliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber einheimischen Arbeitskräften, weil auf diesem Niveau viele Stellen die Beherrschung einer Amtssprache und mehrerer anderen Sprachen gefordert ist. Mittelhoch-qualifizierte Positionen gibt es gleichzeitig am meisten in der Schweiz und sie werden mehrheitlich von Schweizer Arbeitnehmer*innen besetzt.

Nebst den beschriebenen Gründen von potentiell niedrigeren Human- und Sozialkapital-Levels ist die Diskrimination am Arbeitsplatz weiterhin ein wichtiger Erklärungsfaktor wenn es um Unterschiede in der Anstellung von einheimischen und ausländischen Arbeitskräften geht. In einer neuen Metaanalyse über Diskrimination beim Anstellungsverfahren, welche 43 experimentellen Studien während 25 Jahren anschaute, ist herausgekommen, dass die Diskriminierung ethnischer Minderheitengruppen noch immer an der Tagesordnung ist. [5]

In einem Experiment kam heraus, dass Personalverantwortliche Bewerber*innen mit nicht-schweizerischem Hintergrund und ‘ausländisch klingendem’ Namen eher auswählten, wenn diese ihren Lebenslauf ‘aufgehellt’ (whitened) hatten indem sie angaben, nur die Landessprache fliessend zu sprechen und keine kulturelle Verbundenheit gegenüber ihrem Herkunftsland zeigten. Es wurde geschlossen, dass Lebensläufe, die mehrere Zeichen der Verbundenheit mit der eigenen Herkunftskultur vermittelten, in einer starken Sanktionierung aufgrund angenommener ‘tieferer Produktivität’ resultierten. [6] Kinder von Immigrantenfamilien, die aber Schweizer Qualifikationslevels und Doppelbürgerschaft besitzen, müssen 30% mehr Bewerbungen versenden, um bei Bewerbungen auf Lehrstellen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch zu erhalten. [7].

Die Gewährleistung gleicher Beschäftigungschancen für Grenzgänger*innen und ausländische Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt ist sowohl für diese als auch für die Gesellschaft des Ziellandes vorteilsbringend. Der Zugang zum örtlichen Arbeitsmarkt erhöht die gesellschaftliche Teilhabe, was ein wichtiger Bestandteil der Integration sein kann. Gleichzeitig verringert bezahlte Arbeit die Abhängigkeit von Sozialhilfe. Bei JANZZ.technology sind wir überzeugt, dass anonymisierte Bewerbungsverfahren Diskriminierung weitgehend reduzieren und Chancengleichheit aktiv steigern können. Um mehr über die anonymisierten Verfahren von JANZZ.jobs zu erfahren, wenden Sie sich bitte an sales@janzz.technology

 

 

 

[1] FSO. 2020. Foreign cross-border commuters by gender, canton of work and age class. URL: https://www.bfs.admin.ch/bfs/en/home/statistics/work-income/employment-working-hours.assetdetail.13647546.html

[2] FSO. 2020. Employed persons (domestic concept) total number and in full-time equivalents by gender and nationality, gross and seasonally adjusted values. Quarterly and yearly averages. URL: https://www.bfs.admin.ch/bfs/en/home/statistics/work-income/employment-working-hours/employed-persons/trend-number-employed-persons.assetdetail.13327120.html

[3] Favre, S.; Föllmi, R:; Zweimüller, J.: Immigration, return migration and integration from a labour market perspective. In: A Panorama of Swiss Society 2020 Migration-Integration-Participation, Federal Statistics Office, Neuchãtel, 2020

[4] Friedberg, R.: You can’t take it with you? Immigrant assimilation and the portability of human capital, Journal of Labor Economics 18:2: 221–252, 2000

[5] Zschirnt, E.; Ruedin, D.: Ethnic discrimination in hiring decisions: A meta-analysis of correspondence tests 1990–2015, Journal of Ethnic and Migration Studies, Taylor & Francis, Milton Park, Abingdon, Vol. 42, Iss. 7, pp. 1–19, 2016

[6] Auer, D.: Drivers of immigrant employment in Switzerland, University of Lausanne, 2018

[7] Fossati, F.; Liechti, F.; Auer, D.; Bonoli, G.: Discrimination Multipliers, How immigrants’ integration affects labour market disadvantage, MIM Working Paper Series 17:2, Malmö Institute for Studies of Migration, Diversity and Welfare (MIM) Malmö University, Malmö, 2017