«Arbeitslose Kandidat*innen werden keinesfalls berücksichtigt» – die Krux der Arbeitslosigkeit.

Damals, im Jahr 2008, als wir mit der Entwicklung unserer Lösungen begannen, lieferte die Arbeit von Diamond, Mortenson und Pissarides die wissenschaftliche Grundlage für unsere Job- und Skill-Matching-Technologie. Mit ihrer nobelpreisgekrönten Arbeitsmarkttheorie und dem DMP-Modell lieferten sie einen ersten kohärenten, vollständigen Rahmen, um Arbeitsmarktdynamiken auf strukturierte Weise zu betrachten. In ihrer Theorie werden Arbeitsmärkte als Märkte mit Suchfriktionen betrachtet: Arbeitskräfte suchen nach geeigneten Arbeitsplätzen und Unternehmen nach geeigneten Arbeitnehmenden, wobei beide erhebliche Zeit und Mühe investieren; Suchfriktionen sind der Prozess bzw. der Zeitfaktor des Matchings der beiden.

Das DMP-Modell selbst beschreibt die Suchaktivität der Arbeitslosen, das Einstellungsverhalten der Unternehmen und die Lohnbildung. Wenn Stellensuchende und Unternehmen zueinander finden, handeln sie Löhne aus basierend auf der Arbeitsmarktsituation: die Anzahl der Arbeitslosen und die Anzahl der offenen Stellen, sowie andere Faktoren wie z. B. wie lange es dauert, diese Stelle zu finden, die Arbeitslosenunterstützung der Stellensuchenden und welchen Wert diese dem Umstand beimessen, während der Suche nicht arbeiten zu müssen. Das Modell kann somit verwendet werden, um die Auswirkungen verschiedener Arbeitsmarktfaktoren auf die Arbeitslosigkeit, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit, die Anzahl der offenen Stellen und den Reallohn zu schätzen. Solche Faktoren können die Höhe der Arbeitslosenunterstützung sein, der reale Zinssatz, die Effizienz der Arbeitsämter, Einstellungs- und Entlassungskosten usw.

On-the-job-Suche und ihre Auswirkungen auf Arbeitsmarktdynamiken

Dieser theoretische Rahmen hat das Verständnis dafür, wie Mismatch-Probleme und eine fehlende Symmetrie zwischen verschiedenen Suchmechanismen und das daraus resultierende Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage die Funktionsweise des Arbeitsmarktes beeinflussen, erheblich gefördert. Ein wesentlicher Aspekt des Arbeitsmarktes wird hier jedoch völlig ausser Acht gelassen, nämlich dass nicht alle Stellensuchenden arbeitslos sind. Der Grossteil der Literatur konzentriert sich seither dennoch ebenfalls auf Arbeitslose, nicht nur, weil das Standard-DMP-Rahmenwerk die On-the-job-Suche, also die Stellensuche durch Erwerbstätige, nicht einbezieht, sondern auch aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Daten zur On-the-job-Suche. In jüngerer Zeit hat die Forschung jedoch begonnen, die On-the-job-Suche und Job-Leiter einzubeziehen. Die Idee einer Jobleiter ist, dass alle (potenziellen) Arbeitnehmenden sich darüber einig sind, welche Stellen im Sinne von Arbeits- und Lohnzufriedenheit wünschenswert sind und langsam die Jobleiter von «schlechten» oder unbefriedigenden Jobs zu «guten» Jobs durch Job-zu-Job-Übergänge erklimmen. Gelegentlich werfen negative Schocks sie von der Leiter und zurück in die Arbeitslosigkeit. Eine wachsende Zahl von Studien hat die Bedeutung der On-the-job-Suche und der damit verbundenen Jobleiter-Dynamik für die makroökonomischen Ergebnisse dokumentiert.[1] Einige argumentieren, dass der Arbeitsmarkt insofern segmentiert ist, als dass erwerbstätige und arbeitslose Stellensuchende wahrscheinlich nicht direkt miteinander um Stellen konkurrieren, weil sie unterschiedliche arbeitsrelevante Merkmale haben und sich auf unterschiedliche Stellen bewerben. Longhi und Taylor (2013) geben z. B. an, dass sich Arbeitslose nur auf «schlechte» Stellen und Erwerbstätige auf «gute» Stellen bewerben und daher nicht miteinander konkurrieren. Sie untersuchen jedoch nicht die Gründe für dieses Verhalten. Es könnte durchaus sein, dass die Ursache mit dem Suchverhalten der erwerbstätigen Arbeitskräfte oder damit verbundenen Dynamiken zusammenhängt. So stellen sie beispielsweise fest, dass ein grösserer Anteil der Arbeitslosen im Vergleich zu den Erwerbstätigen eine Teilzeitbeschäftigung «bevorzugt» und erklären, dass dies ihre Behauptung eines segmentierten Arbeitsmarktes stützt. Dabei ignorieren sie die Tatsache, dass es sich möglicherweise nicht um eine inhärente «Präferenz» handelt, sondern um eine höhere Flexibilität seitens der Arbeitslosen, die auf einer dringenderen Notwendigkeit beruht, überhaupt eine Beschäftigung zu finden. Obwohl sie sogar selbst anmerken, dass Teilzeitbeschäftigte eher weiterhin auf Stellensuche sind, und den Grund darin vermuten, dass Teilzeitstellen «in Bezug auf Arbeitsangebotspräferenzen unbefriedigend» sind. Ebenso stellen sie fest, dass die beiden Gruppen dazu neigen, unterschiedliche Suchmethoden zu verwenden, wobei Erwerbstätige sich mehr auf die Nutzung ihrer Netzwerke konzentrieren und Arbeitslose sich mehr auf Jobcenter und Arbeitsvermittlungen verlassen. Sie verwenden dies als weiteres Argument für ihre Schlussfolgerung, dass sich diese Gruppen nicht auf die gleichen Stellen bewerben, weil die über diese verschiedenen Kanäle verfügbaren Stellen unterschiedlich sind. Die Nutzung verschiedener Kanäle könnte aber eher damit zusammenhängen, dass mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit die persönlichen und beruflichen Netzwerke Stellensuchender schwinden und Arbeitslose stärker auf institutionelle Unterstützung angewiesen sind. Es bedeutet nicht unbedingt, dass sich Arbeitslose tatsächlich auf verschiedene Stellen bewerben wollen.

Tatsächlich kommt die Mehrheit der neueren Literatur zu dem Ergebnis, dass die On-the-job-Suche einen deutlichen Einfluss auf die makroökonomischen Ergebnisse und die Chancen arbeitsloser Stellensuchender auf dem Arbeitsmarkt hat. Moscarini und Postel-Vinay (2019) sowie Faccini und Melosi (2019) bringen die On-the-job-Suche mit der Inflation in Verbindung und argumentieren, dass bei einer Konzentration der Erwerbstätigkeit am unteren Ende der Jobleiter, typischerweise nach einer Rezession, erwerbstätige Arbeitskräfte nach einem besseren Job suchen. Wenn Arbeitnehmende auf der Jobleiter aufsteigen, wird der Arbeitsmarkt enger und erzeugt durch Lohnverhandlungen Inflationsdruck. Eeckhout und Lindenlaub (2019) stellen eine elegante Theorie auf, nach der das Suchverhalten erwerbstätiger Arbeitskräfte durch eine strategische Ergänzung zwischen On-the-job-Suche und Stellenausschreibung starke Arbeitsmarktschwankungen selbst bei Abwesenheit anderer Schocks erzeugt. Nach dieser Theorie kann der Arbeitsmarkt selbst Zyklen erzeugen, im Gegensatz zur langjährigen Annahme (basierend auf dem DMP-Modell), dass solche Zyklen nur durch exogene Schocks erzeugt werden können. Die Autoren stellen fest, dass aktive On-the-job-Suche die Qualität des Bewerbendenpools verbessert, was die Stellenausschreibung durch Unternehmen fördert, was wiederum die On-the-job-Suche attraktiver macht. Dies entspricht einem Wirtschaftsboom mit wenig Mismatch, reichlich Arbeitsplatzschaffung und niedriger Arbeitslosigkeit. Während einer Rezession hingegen ist der Anteil der On-the-job-Suchenden im Bewerbendenpool viel geringer. Infolgedessen haben die Unternehmen weniger Anreize, offene Stellen auszuschreiben, was zu einer niedrigen Matching-Rate für Arbeitnehmende führt, welche die Kosten der On-the-job-Suche nicht kompensieren kann, was wiederum zu hohem Mismatch und hoher Arbeitslosigkeit führt. Die Autoren zeigen, dass ihre Theorie, insbesondere das Suchverhalten der Erwerbstätigen, viele wichtige Arbeitsmarktphänomene erklären kann, einschliesslich grosser Schwankungen in der Arbeitslosigkeit und der Tatsache, dass die Arbeitslosenquote viel länger braucht, um sich zu erholen als offene Stellen und Produktivität, z. B. nach einer Rezession.

Es mag kontraintuitiv erscheinen, dass das Verhalten der Erwerbstätigen die Arbeitslosigkeit erklären könnte. Aber diese haben typischerweise einen Anteil von mehr als 90 Prozent an der Erwerbsbevölkerung und bewerben sich auf demselben Arbeitsmarkt wie die Arbeitslosen auf offene Stellen. Daher hat jede geringfügige Änderung in ihrem Verhalten tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit insgesamt. Auch wenn sie viel weniger intensiv suchen als Arbeitslose, wird im Durchschnitt fast die Hälfte der neuen Stellen von Erwerbstätigen besetzt. Besonders am Ende einer Rezession verdrängen die erwerbstätigen Suchenden die Arbeitslosen. Wenn die Schaffung von Arbeitsplätzen wieder anzieht, gehen die Stellen überproportional an On-the-job-Suchende und nicht an die Arbeitslosen. Die neue Aktivität führt also zunächst zu besseren Stellen für Erwerbstätige, aber nicht zu besseren Aussichten für Arbeitslose.

Basierend auf einer Umfrage, die sich auf das Stellensuchverhalten unabhängig vom Erwerbsstatus konzentriert, finden Faberman et al. (2020) in den folgenden drei Fakten Belege für die Theorie von Eeckhout und Lindenlaub: (1) On-the-job-Suche ist allgegenwärtig und auf den unteren Sprossen der Jobleiter intensiver; (2) Erwerbstätige sind bei der Jobsuche etwa viermal effizienter als Arbeitslose [2]; und (3) Erwerbstätige erhalten qualitativ hochwertigere Jobangebote als Arbeitslose.

Das Stigma der Arbeitslosigkeit

Was diese theoretischen Modelle und Studien nicht erwähnen, ist, warum Erwerbstätige bei der Stellensuche erfolgreicher sind und hochwertigere Jobangebote erhalten als Arbeitslose. Vieles davon könnte mit dem Stigma der Arbeitslosigkeit – insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit [3] – zu tun haben. Das Zitat im Titel dieses Artikels stammt aus einer Stellenausschreibung von Sony Ericsson, und dieses Unternehmen ist mit dieser Haltung in bester Gesellschaft. Verschiedene Studien (z. B. die hier und hier oder hier beschriebenen) haben im Laufe der Jahre immer wieder gezeigt, dass Personalverantwortliche gegenüber arbeitslosen Bewerbenden voreingenommen sind und oft davon ausgehen, dass Arbeitslose faul, weniger produktiv und weniger kompetent sind als erwerbstätige Kandidat*innen mit ansonsten gleichen Eigenschaften. Eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass Personalverantwortliche aufgrund der stereotypen Wahrnehmung arbeitsloser Bewerbenden sogar deren Charakter verurteilen: arbeitslose Jobkandidat*innen werden im Vergleich zu den erwerbstätigen als weniger warmherzig, weniger vertrauenswürdig, weniger gutmütig, weniger freundlich und weniger aufrichtig angesehen. Kein Wunder, dass sich Arbeitslose mit „schlechten Jobs“ begnügen müssen – wenn sie überhaupt eine Anstellung finden.

Und diese voreingenommene Perspektive findet sich nicht nur bei Personalverantwortlichen, sie scheint auch unter Forschern weit verbreitet zu sein. So ist der Kern der Theorie von Eeckhout und Lindenlaub die implizite Annahme, dass erwerbstätige Stellensuchende attraktiver und wertvoller seien als arbeitslose (aktive On-the-job-Suche verbessert die Qualität des Bewerberpools). Auch das DMP-Modell geht von einer stigmatisierten Sichtweise der Arbeitslosigkeit aus: Das Ergebnis, dass höhere Arbeitslosenunterstützung die Arbeitslosenquote erhöht, beruht auf der Annahme, dass ein höheres Einkommen durch Sozialleistungen die Motivation der Arbeitslosen zur Stellensuche und damit zum erfolgreichen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt verringert. Zugespitzt formuliert geht das Modell davon aus, dass arbeitslose Arbeitskräfte Freizeit der Arbeit vorziehen (also faul sind) und schiebt ihnen die Schuld zu (ein motivierter Arbeitsloser könnte jederzeit einen Job finden).

Dies und die Tatsache, dass Studien zeigen, dass Langzeitarbeitslosigkeit auch zu langfristigen Schäden wie lebenslang niedrigeren Löhnen, vermehrten Gesundheitsproblemen, geringerer Lebensqualität und verminderter Lebenserwartung sowie einem erhöhten Selbstmordrisiko führt, zeigt deutlich, dass arbeitslose Stellensuchende geschützt werden sollten und dass die Anstrengungen verstärkt werden sollten, um weitere Arbeitslosigkeit zu verhindern und Langzeitarbeitslosigkeit einzudämmen. Ein kleiner, aber einfacher Schritt liegt bereits auf der Hand: die Förderung von Lösungen, die diese Vorurteile zumindest in den ersten Schritten des Auswahlprozesses von Kandidat*innen verhindern, indem Arbeitsvermittlungssysteme eingesetzt werden, die den Erwerbsstatus verschleiern. Viele der aktuellen Systeme und Plattformen, die von öffentlichen Arbeitsverwaltungen angeboten werden, bieten jedoch nur Zugang für arbeitslose Stellensuchende. Diese Systeme sind selten erfolgreich, oft werden sie von Unternehmen und potenziellen Arbeitgebenden kaum genutzt. Und das Stigma der Arbeitslosigkeit ist ein Hauptgrund für dieses Problem. Um langfristig tragfähig zu sein und arbeitslosen Stellensuchenden eine echte Chance auf eine Rückkehr ins Arbeitsleben zu bieten, muss eine gute PES-Plattform das gesamte Universum an Arbeitskräften und Experten aus allen Bereichen, Branchen und Kompetenzen umfassen.

Eine blosse Einführung der richtigen Software löst natürlich – entgegen der Behauptung einiger Softwareanbieter – weder das Problem der Diskriminierung von Arbeitslosen vollständig, noch kann sie die Arbeitslosigkeit allein verringern. Es handelt sich hierbei natürlich um ein komplexes Problem, das von vielen Faktoren abhängt und von verschiedenen Seiten angegangen werden muss. Dennoch können solche Lösungen als wirksamer Bestandteil einer gut durchdachten Arbeitsmarkt- und Anti-Diskriminierungspolitik dienen.

Wir bei JANZZ setzen nicht nur auf schnelle Marketing-Schlagzeilen, sondern entwickeln evidenzbasierte Lösungen und setzen diese bereits seit 2010 erfolgreich ein. Unsere Job- und Skill-Matching-Lösungen sind fair und diskriminierungsfrei und liefern völlig unvoreingenommene Ergebnisse gemäss den OECD-Grundsätzen zur KI. Das garantiert, dass jene*r Kandidat*in mit der besten Eignung in allen Einzelkriterien den besten Match erhält – unabhängig vom Erwerbsstatus oder anderen nicht relevanten Merkmalen wie Herkunft, Alter oder Geschlecht. Das ist einer der vielen Gründe, weshalb wir vertrauenswürdiger Partner einer stetig wachsenden Zahl von öffentlichen Arbeitsverwaltungen auf der ganzen Welt sind.

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[1] Christensen et al., (2005), Cahuc, Postel-Vinay, and Robin (2006), and Bagger and Lentz (2019), among others,
[2] Hätten sich die Autoren nur auf die Übergangsraten verlassen – ein in der Literatur üblicher Ansatz aufgrund fehlender Daten zum Aufwand der Arbeitssuche – hätten sie das gegenteilige Ergebnis von Fakt (2) gefunden, nämlich dass die Arbeitslosen etwa siebenmal effizienter sind.
[3] In den USA ist Langzeitarbeitslosigkeit definiert als (aktive) Arbeitslosigkeit von mehr als 6 Monaten, in der EU von mehr als 12 Monaten.